US-Präsident Bush erfuhr in Camp David von der Katastrophe. Sein erster Anruf galt den Angehörigen der Opfer.

Washington. Es ist still im Luft- und Raumfahrtmuseum in Washington, der meistbesuchten Touristenattraktion der US-Hauptstadt. Die große Eingangshalle, in der an anderen Tagen aufgeregte, staunende Kinderstimmen widerhallen, gleicht heute fast einer Kirche. Vor dem übergroßen Fernseher haben sich die Menschen versammelt, dicht gedrängt, wie vor einem Altar. Mit ernsten Gesichtern, teilweise geröteten Augen starren sie auf den Bildschirm. Ab und zu ist ein "Oh, no!" oder ein "My god!" zu hören. Das Bild - ein blauer Himmel, über den von links oben nach links unten ein Komet zu fliegen scheint - hat fast etwas Metaphysisches, etwas bizarr Schönes. Doch den Leuten vor dem Fernseher wird immer klarer, dass der weißgelbe Strich, an dessen Ende sich ein Stern zu befinden scheint, die größte Raumfahrt-Katastrophe seit der Explosion der Challenger vor fast genau 17 Jahren ist. "Ich dachte, sie zeigen das Challenger-Unglück noch einmal, weil vor ein paar Tagen der Jahrestag war", sagt Laura Booth geschockt, als sie die Wahrheit erfährt. Brendon Hayes, ein Ingenieur aus dem nahen Arlington, der regelmäßig mit seinem Sohn Cameron ins "National Air and Space Museum" kommt, findet nur stockend Worte: "Man wünscht sich so sehr, dass plötzlich aus dem Lautsprecher wenigstens kommen würde: ,Houston wir haben da ein Problem'." Er spielt dabei auf den berühmten Funkspruch von Apollo 13 an - als Techniker und Crew annahmen, das Raumschiff werde auf Grund technischer Probleme nicht mehr sicher landen könne. Doch diesmal kann auch Houston das Problem nicht lösen. Es kam zu plötzlich, augenscheinlich ohne Vorwarnung. Wer die Sprache der NASA kennt, weiß bereits um kurz nach neun Uhr Ostküstenzeit, dass es keine Rettung mehr für die Columbia geben dürfte. "Es hat anscheinend eine gravierende Fehlfunktion gegeben", erklärt einer der Ingenieure in der Kommandozentrale in Houston um 9.30 Uhr. Auch nach der Explosion der Challenger wurde genau diese Terminologie verwendet. Als um 10.20 Uhr "Columbia is lost" (Columbia ist verloren) über den Bildschirm läuft, können viele Menschen im Museum ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. "Es ist so unsagbar traurig, eine furchtbare Tragödie", sagt Rachel Barnes, die sich mit ihren Enkeln einen schönen Tag im Museum machen wollte. Kurz nach Mittag werden die US-Flaggen auf dem Kapitol und dem Weißen Haus auf Halbmast gesetzt. In den nächsten Stunden folgen die Fahnen im ganzen Land. Der amerikanische Präsident, der sich übers Wochenende nach Camp David zurückgezogen hatte, um dort mit Kabinettsmitgliedern und Experten Planungen für den drohenden Krieg gegen den Irak durchzusprechen, beschließt sofort, ins Weiße Haus zurückzukehren. Bevor George W. Bush um 14 Uhr vor die Kameras tritt, ruft er persönlich die Angehörigen der sieben Opfer an, die in Florida schon an der Landebahn standen. Einem engen Berater zufolge sagt er allen das Gleiche: "Ich wünschte, ich wäre jetzt bei Ihnen, um Sie in den Arm zu nehmen, Sie zu trösten und mit Ihnen zu weinen. Millionen Amerikaner beten für Sie." Bei seiner vierminütigen Ansprache im Fernsehen, die von den meisten Sendern live übertragen wird, beginnt Bush mit den Worten: "Meine lieben amerikanischen Mitbürger. Dieser Tag hat schreckliche Nachrichten und große Trauer über unser Land gebracht." Mit stockender Stimme verliest der Präsident die Namen der sieben Astronauten und versichert den Angehörigen und der Welt: "Unsere ganze Nation trauert." Ähnlich wie seinerzeit Ronald Reagan nach dem Challenger-Unglück 1986 zitiert auch Bush einen Bibelpsalm (Jesaja 40-26)) und endet mit den Worten: "Die Besatzung des Shuttles Columbia ist nicht sicher zur Erde zurückgekehrt, wir können jedoch alle beten, dass sie alle sicher zu Hause sind." Unbeobachtet von den meisten Fernsehzuschauern, kehrt der Präsident nach seiner Ansprache im Weißen Haus noch einmal kurz ans Rednerpult zurück, so als wollte er noch etwas sagen oder Fragen entgegennehmen. Doch dann tritt er wortlos ab und verschwindet hinter einem schwarzen Vorhang . . .