Hamburg. Ob defekter Hitzeschild oder Computerfehler - die Ursachen für die Columbia-Tragödie werden im Bereich technischen oder menschlichen Versagens vermutet. Und doch lässt das Desaster im All wider Willen dunkle, beunruhigende Assoziationen entstehen. Da verglüht eine amerikanische Raumfähre, augenfälligstes Symbol der technischen Überlegenheit dieser Supermacht, mit sechs Amerikanern und einem Israeli an Bord. Die Hightech-Fähre flammt am Himmel auf; verkohlte Reste regnen ausgerechnet auf Texas, den Heimatstaat des US-Präsidenten, nieder. Hat der Texaner Bush nicht dem islamischen Fundamentalismus mit einem "Kreuzzug" gedroht, schickt er sich nicht gerade mit politischer Unterstützung der Israelis an, einen Feldzug gegen den muslimischen Irak anzuführen? Die diffuse Vision einer furchtbaren göttlichen Warnung, diesmal an den mächtigsten Herrscher der Gegenwart, treibt an die Oberfläche verwirrter Gedanken wie eine Sumpfblase. Und es sind zynische Gedanken. Denn welcher strafende Gott könnte gemeint sein? Etwa der christliche? "Ganz gewiss nicht", sagt der Hamburger Pastor Frank-Michael Wessel. "Weder Krieg noch solche Unglücke sind Gottes Wille. Rachsucht entspricht auch nicht der Botschaft Jesu und des Neuen Testaments. Dies ist vielmehr die Ebene menschlichen Versagens, das Ergebnis des gescheiterten Versuchs einer perfekten Beherrschung der Welt". Wessel warnt davor, das Columbia-Unglück religiös zu überhöhen. Radikale Islamisten werden dennoch darin einen strafenden Fingerzeig Allahs an die aggressiven Ungläubigen sehen wollen. Hat nicht der Prophet Mohammed gesagt: "ER entsendet die Donnerschläge und trifft damit, wen er will?" Dann müsste Allah aber bisher all den Massakern Saddams tatenlos zugesehen haben, um nun Partei für den Mörder Saddam zu ergreifen. Ein wenig schlüssiges Gottes-Bild. Für das Scheitern ihrer wagemutigen Unternehmungen in lebensfeindlichen Zonen wie dem All muss der rastlos forschende Mensch die Verantwortung selber übernehmen.