Der Ölkonzern BP versucht das Bohrloch mit Schlamm zu schließen. Die Erfolgschancen werden auf 60 bis 70 Prozent geschätzt.

Covington. Die umstrittene Operation „Top Kill“ im Golf von Mexiko ist angelaufen: Nach mehr als fünf Wochen will BP den Kampf gegen das Öl endgültig gewinnen. Dabei bedient sich der britische Ölkonzern einer riskanten Methode: Schwerer Bohrschlamm wird seit Mittwoch mit hohem Druck in die undichten Stellen am Meeresboden in 1.600 Meter Tiefe gepumpt und die Abdichtköpfe sollen dann mit Zement dauerhaft versiegelt werden. Das Verfahren wurde allerdings noch nie in so großer Tiefe erprobt.

BP bezifferte die Erfolgschancen für die Aktion auf 60 bis 70 Prozent. Dennoch gab die amerikanische Küstenwacht am Mittwoch grünes Licht für „Top Kill“. US-Präsident Barack Obama warnte allerdings, es gebe keine Garantie für einen positiven Ausgang. Seine Regierung werde aber nicht eher ruhen, bis das Öl gestoppt und die Schäden beseitigt seien. Die USA müsse sich angesichts der „herzzerreißenden“ Ölpest nach alternativen Energiequellen umschauen, mahnte er. „Unser Planet hält das nicht aus.“

Ob „Top Kill“ erfolgreich war, kann BP möglicherweise erst in zwei Tagen sagen. Über zwei Leitungen sollen 6.300 bis 8.000 Liter der Masse aus Schlamm und Zement in den Abdichtkopf gepumpt werden. Geht alles gut, stoppt der Gegendruck der Dichtmasse das aufsteigende Öl, der „Kill“ wäre erfolgreich. Falls nicht, fließt im schlimmsten Fall noch mehr Öl als bisher in den Golf. Niemand weiß genau, wie viel Öl seit der Explosion und dem Untergang der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ Mitte April bereits ins Meer geflossen ist. Experten gehen aber mindestens von 26,5 Millionen Litern aus.

Ein Technik-Professor der Universität Berkely, Bob Bea, sagte, der Erfolg der Aktion hänge davon ab, wie hoch die austretende Ölmenge tatsächlich sei. Alles was über sechs Millionen Liter pro Tag liege, wäre nach seiner Ansicht zuviel für den beschädigten Abdichtkopf.

Unterwasseraufnahmen zeigten unterdessen, dass das austretende Öl dunkler geworden ist. Dies deutet nach Einschätzung von Wissenschaftlern darauf hin, dass inzwischen schwereres Öl austritt, dessen Zerstörungspotenzial für die Meereslebewesen noch höher ist als bisher. BP sagte am Dienstag zu, den Versiegelungsversuch am Meeresgrund per Video zu übertragen. Dies sei auf Druck der US-Regierung erfolgt, verlautete in Washington.

In Washington verliert die Politik zusehends die Geduld mit BP. Mehrere Versuche, den Ölaustritt zu stoppen, sind fehlgeschlagen. Zudem hat der Ölkonzern Sicherheitsmängel offenbar wissentlich in Kauf genommen. Ranghohe Manager werfen dem Unternehmen vor, am Tag der Explosion „Abkürzungen“ genommen zu haben. So wurde beispielsweise schwere Bohrflüssigkeit gegen leichteres Salzwasser ausgetauscht, um das Bohrloch mit Zementpfropfen abzudichten. Die Zeugenaussagen liegen der Nachrichtenagentur AP vor.

Aber auch die Regierung gerät zunehmend in Kritik: Nach einem neuen Bericht aus dem Innenministerium sollen die Beamten der für die Aufsicht von Ölbohrungen zuständigen Behörde zahlreiche Verstöße begangen haben. Bedenklich sei vor allem die große Nähe zwischen Beamten und Industrie gewesen, sagte die amtierende Generalinspekteurin des Innenministeriums, Mary Kendall. So sei es oft zum Austausch von Geschenken gekommen.

US-Präsident Barack Obama reist am Freitag, knapp vier Wochen nach seinem ersten Besuch in der Katastrophenregion, erneut nach Louisiana. Ein Regierungsbeamter sagte der Nachrichtenagentur AP, Obama wolle sich persönlich ein Bild von der Lage an der Golfküste und etwaigen Fortschritten bei der Bekämpfung der Ölpest machen. Ölklumpen haben inzwischen die ökologisch sensiblen Feuchtgebiete von Louisiana erreicht.