Gespannt wird am Golf die Operation Stahlkuppel zur Abdeckung der Lecks erwartet. Fischerboote reinigen Meeresoberfläche, anstatt Krabben zu fangen.

New Orleans. Die Krabbenkutter auf dem schwarzen Teppich wirken wie ein surrealistisches Bild. Was malerisch aussieht, ist für die Fischer aber die Pest. Sie fischen nicht wie üblich Garnelen, sondern Öl mit ihren Auslegern. Doch nun gibt es Hoffnung. Ein Frachter brachte gestern die 100 Tonnen schwere Stahlbetonglocke an den Ort im Golf von Mexiko, an dem vor zwei Wochen die Bohrplattform "Deepwater Horizon" nach einer Explosion versunken war. Die Glocke soll zu dem Bohrloch in 1500 Meter Tiefe herabgelassen werden, um es zu verschließen. So etwas wurde nie zuvor getestet. "Wir sind etwas nervös", sagte der Kapitän des Frachters "Joe Griffin", Demi Shaffer. "Wir werden alles versuchen."

Täglich sprudeln immer noch 700 Tonnen Rohöl in die See

Die Operation ist nicht nur einzigartig, ihr Ausgang ist ungewiss: Seit fast zwei Wochen sprudeln täglich mindestens 700 Tonnen Rohöl ins Meer. 80 bis 85 Prozent des Ölflusses könnten laut Experten mithilfe der Vorrichtung gestoppt werden. Bis die Stahlhaube in der richtigen Position über dem Hauptleck am Meeresgrund steht, vergehen aber noch mehrere Tage. Verläuft alles wie erhofft, werden Experten des britischen Mineralölkonzerns BP die Glocke mit einem Bohrschiff verbinden. Frühestens von Montag an könnte das Gerät dann wie ein Staubsauger das Öl "aufschlürfen" und nach oben zu einem Tanker leiten. Gelingt die Operation, will BP eine weitere, kleinere Kuppel über einen zweiten Riss stülpen.

Experten zeigen sich zuversichtlich, was den Erfolg dieser beispiellosen Maßnahme angeht: "In so tiefen Gewässern gab es so etwas noch nicht; es spricht aber grundsätzlich nichts dagegen, dass es dort auch funktioniert", sagt Professor Kurt Reinicke vom Institut für Erdöl- und Erdgastechnik der Technischen Universität Clausthal (Niedersachsen). Allerdings wäre das eigentliche Problem mit dem Absetzen der Kuppel längst nicht gelöst. "Mit der Kuppel soll nur Zeit gewonnen werden, bis es zu einem dauerhaften Verschluss des Bohrlochs kommt."

BP selbst versuchte gestern allzu hohe Erwartungen zu bremsen. Die Aufgabe sei "sehr komplex", sagte BP-Manager Doug Suttles. "Wir werden die ganze Zeit auf Herausforderungen treffen." Es sei, als lasse man ein Gebäude aus Metall auf den Meeresgrund hinab. Ein erster kleiner Riss an der Unglücksstelle war bereits von einem Unterwasser-Roboter geschlossen worden. Die Menge des austretenden Öls habe sich dadurch aber nicht verringert - nur die Zahl der Risse, mit denen man nun noch kämpfen müsse, sagte Suttles.

Eine weitere Maßnahme gegen die Ölpest hat BP nach einem Bericht der "Washington Post" vorübergehend gestoppt. Sie bestand darin, das Öl nahe dem ursprünglichen Leck am Meeresboden mit speziellen Chemikalien zu vermischen, damit es sich zersetzt. Das Unternehmen wolle zunächst auf Testergebnisse warten, die zeigen, welchen ökologischen Einfluss die Chemikalien haben. Umweltschützer hatten bemängelt, dass es noch zu wenig Erkenntnisse gebe, welchen Schaden die Stoffe in der sensiblen Golfregion anrichten könnten. "Wir verstehen noch nicht, welchen Effekt diese giftige Suppe auf den Meeresorganismus haben könnte", sagte Regan Nelson von der Umweltschutzgruppe NRDC dem "Wall Street Journal". Nach Angaben der Zeitung werden täglich mehr als 200 000 Liter an ölauflösenden Chemikalien verwendet; die seien momentan so knapp, dass sie aus Saudi-Arabien und Malaysia eingeflogen werden müssten.

38 Meeresschildkröten gestrandet, nur eine überlebte

Das auf dem Meer schwimmende Öl hat gestern erstmals die Küste erreicht. "Wir haben Teams, die uns Öl an den Stränden der südlichen Spitze von Freemason Island innerhalb der Chandeleur-Inselgruppe bestätigen", sagte Connie Terrell von der US-Küstenwache. Bei der unbewohnten Inselgruppe handelt es sich um ein Naturschutzgebiet nahe New Orleans. Nach Angaben des Amerikanischen Meeres- und Klimaschutzzentrums NOAA wurden den Behörden seit vergangenem Freitag zwischen dem Delta in Louisiana und Alabama 38 gestrandete Meeresschildkröten gemeldet, die bis auf eine alle tot waren. DieNOAA-Wissenschaftler glauben aber nicht, dass die Schildkröten infolge der Ölpest an Land geraten sind. Bei zehn untersuchten Kadavern seien keine Spuren von Öl gefunden worden.