Die Erfolgschance des Schlamm-Operation “Top Kill“ wird auf 70 Prozent geschätzt. Die Ölplattform hatte vor der Explosion massive Probleme.

Washington. Nach fünf desaströsen Wochen im Golf von Mexiko unternimmt der Mineralölkonzern BP einen neuen Versuch, um das Bohrloch am Meeresgrund endlich zu schließen. Die Ingenieure wollten am Mittwoch damit beginnen, Bohrschlamm und Zement mit hohem Druck in die undichten Stellen in 1.500 Meter Tiefe zu pumpen und das Bohrloch so gewissermaßen zuzustöpseln. BP bezifferte die Erfolgschancen für das bisher noch nie am Meeresgrund erprobte Verfahren mit der Bezeichnung „Top Kill“ auf 60 bis 70 Prozent.

Die Aktion gilt als riskant: Geht etwas schief, können die Lecks und damit die Katastrophe sogar noch vergrößert werden. Ingenieure versuchten in zwölfstündigen Tests am Dienstag herauszufinden, ob der bei Explosion und Untergang der Ölplattform „Deepwater Horizon“ Mitte April beschädigte Abdichtkopf den zusätzlichen Druck durch den Schlamm und Zement noch aushalten kann.

Über zwei Leitungen sollen 6.300 bis 8.000 Liter der Masse in den Abdichtkopf gepumpt werden. Geht alles gut, stoppt der Gegendruck der Dichtmasse das aufsteigende Öl, der „Kill“ wäre erfolgreich. Falls nicht, fließt im schlimmsten Fall noch mehr Öl als bisher in den Golf.

BP sagte am Dienstag zu, die Operation per Video zu übertragen. Dies sei auf Druck der US-Regierung erfolgt, verlautete aus Regierungskreisen in Washington. BP zufolge kann es bis zu zwei Tage dauern, bis der Erfolg feststeht.

Ein Technik-Professor der Universität Berkely, Bob Bea, sagte, der Erfolg der Aktion hänge davon ab, wie hoch die austretende Ölmenge tatsächlich sei. Alles was über sechs Millionen Liter pro Tag liege, wäre nach seiner Ansicht zuviel für den beschädigten Abdichtkopf.

Unterwasseraufnahmen zeigten unterdessen, dass das austretende Öl dunkler geworden ist. Dies deutet nach Einschätzung von Wissenschaftlern darauf hin, dass inzwischen schwereres Öl austritt, dessen Zerstörungspotenzial für die Meereslebewesen noch höher ist als bisher.

Probleme vor Explosion der Bohrinsel

BP hat offenbar vor der Explosion auf der „Deepwater Horizon“ Hinweise auf massive Probleme auf der Plattform gehabt. Wenige Stunden vor der Detonation hätten Drucktests in einem Bohrloch „sehr große Abnormalitäten„ ergeben, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Notiz von zwei US-Abgeordneten hervorgeht, die von dem Unternehmen über interne Untersuchungen informiert worden waren. Zudem habe es Probleme bei der Ausstattung für Notfälle gegeben.

BP hat sich bisher noch nicht zu der Mitteilung der beiden Politiker geäußert, die einem Ausschuss zur Untersuchung der Katastrophe angehören. Der Konzern hat zusammen mit Transocean „Deepwater Horizon“ betrieben. Bei der Explosion vor etwa fünf Wochen waren elf Menschen ums Leben gekommen. Seit dem Untergang der Bohrinsel strömen Unmengen Öl ins Meer aus und bedrohen sensible Umweltsysteme an den US-Küsten. Am Mittwoch wollte BP versuchen, Schlamm in das Bohrloch in 1600 Metern Tiefe zu pressen, um es so zu verschließen.

Trauerfeier für elf getötete Arbeiter

In Washington verliert die Politik offenbar zusehends die Geduld mit BP. Nach einem neuen Bericht aus dem Innenministerium sollen die Beamten der für die Aufsicht von Ölbohrungen zuständigen Behörde Minerals Management Service zahlreiche Verstöße gegen Ethik-Richtlinien begangen haben. Bedenklich sei vor allem die große Nähe zwischen Beamten und Industrie gewesen, sagte die amtierende Generalinspekteurin des Innenministeriums, Mary Kendall. So sei es oft zum Austausch von Geschenken gekommen.

US-Präsident Barack Obama reist am Freitag, knapp vier Wochen nach seinem ersten Besuch in der Katastrophenregion, erneut nach Louisiana. Ein hoher Regierungsbeamter sagte der Nachrichtenagentur AP, Obama wolle sich persönlich ein Bild über von der Lage an der Golfküste und etwaige Fortschritte bei der Bekämpfung der Ölpest machen. Ölklumpen haben inzwischen die ökologisch sensiblen Feuchtgebiete von Louisiana erreicht.

In Mississippi fand am Dienstag eine Trauerfeier für elf Arbeiter statt, die bei der Explosion der Ölbohrplattform am 20. April ihr Leben verloren. „Dies ist für viele von uns einer der schwersten Tage“, sagte der Vorstandschef des Konzerns Transocean, dem die „Deepwater Horizon“ gehörte.