Der US-Senat will herausfinden, ob Politiker Mitschuld an der Öl-Katastrophe tragen. Fischer und Frisöre fordern Entschädigung.

Washington. Nach der Wirtschaft gerät nun auch die Politik ins Visier der Ermittlungen zur Ölpest im Golf von Mexiko. Am Dienstag sollte US-Innenminister Ken Salazar bei Anhörungen im Senat als Zeuge Rede und Antwort stehen. Ein für Ölbohrungen verantwortlicher Beamter hat bereits seinen Rücktritt eingereicht. Auch Präsident Barack Obama zieht nach dem Untergang der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ des britischen Ölkonzerns BP erste politische Konsequenzen und richtete eine Untersuchungskommission ein.

Der Senat will herausfinden, inwieweit die Politik eine Mitschuld an der Naturkatastrophe trägt. Dazu wird Salazar, dem die für Tiefseebohrungen verantwortliche Behörde für Mineralienförderung (MMS) untersteht, von zwei Ausschüssen befragt. Er kündigte bereits eine umfassende Reform der MMS an. Auch die Leiterin der amerikanischen Umweltbehörde EPA, Lisa Jackson, und der Chef der Küstenwache und oberste Krisenmanager, Thad Allen, wurden zu Anhörungen geladen.

Derweil will der US-Präsident die Umweltkatastrophe von einer Kommission untersuchen lassen, die nach Angaben eines Regierungsbeamten nach dem Vorbild des Ausschusses zur „Challenger“-Katastrophe eingerichtet werden soll. Im Unterschied zu anderen Ausschüssen, die sich bereits mit Ursachen und Hintergründen der Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“ am 20. April und deren Folgen beschäftigen, ist diese Kommission dem Präsidenten direkt unterstellt.

Umweltschützer reichten unterdessen zwei Klagen vor Bundesgerichten in Alabama und Texas ein. Ziel ist es, eine BP-Bohrinsel schließen zu lassen, die ohne vollständige technische Unterlagen betrieben wurde. Die zweite Klage richtet sich gegen die MMS, die internen Unterlagen zufolge im April 2008 die Regeln für die Betreiber von Offshore-Projekten gelockert hatte. Seit dem Untergang der „Deepwater Horizon“ hat die MMS mindestens acht Aufschlussbohrungen genehmigt, obwohl nur minimale Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt wurden. Einige Senatoren fordern vom Justizministerium zu prüfen, ob BP Gesetze des Zivil- oder Strafrechts verletzt habe.

Dem Konzern war es am Wochenende gelungen, den Ölaustritt zumindest teilweise zu stoppen. Ein Saugrohr wurde in das abgebrochene Steigrohr am Meeresgrund in 1.600 Meter Tiefe eingeführt.

Am Montag wurden an der Küste von Florida 20 Teerklumpen entdeckt. Die Küstenwache lässt die Klumpen mit bis zu 20 Zentimeter Umfang im Labor untersuchen, um deren Herkunft festzustellen.

Nach der Ölpest kommt die Klagewelle

Nach dem Öl strömen nun auch die Advokaten an die Golfküste. Die Katastrophe wird eine Klagewelle nach sich ziehen. Fischer, Hoteliers, Gastronomen und andere Dienstleister bis hin zu Frisören wollen für entgangene Einnahmen entschädigt werden. Der britische Energiekonzern BP, aber auch einige andere beteiligte Unternehmen müssen sich auf umfangreiche Entschädigungsansprüche vorbereiten.

„Die Klagen um die Ölpest könnten sogar noch den Hurrikan 'Katrina' in den Schatten stellen“, sagt die Anwältin Judy Giuce, die eine Kanzlei in Biloxi an der Küste des US-Bundesstaats Mississippi führt. „'Katrina' war eine Naturkatastrophe, unsere Klienten klagten vor allem gegen die Versicherungen“, berichtet Guice. „Die Ölpest aber ist ein von Menschen gemachtes Disaster.“ Damit wüchsen sowohl die Klagemöglichkeiten als auch die Erfolgsaussichten.

Auch in der Kanzlei von Anwalt James Gardner stapeln sich bereits die Anfragen. „Die Interessenten reichen vom einfachen Fischer hin bis zu einem Friseur, der fürchtet, wegen der Schäden durch die Ölpest werde den Leuten das Geld für Haarschnitte fehlen“, berichtet Gardner.

Der Ölkonzern BP hat bereits angekündigt, für alle „legitimen“ Forderungen nach Schadenersatz aufkommen zu wollen. Noch ist freilich völlig unklar, welche Forderungen als „legitim“ eingestuft werden.

„BP schuldet uns eine Menge Geld“, befindet der Bootsverleiher Jim Young aus Biloxi. Die Touristen bleiben aus, Young findet kaum Kunden für seine Boote. Derzeit stellt er sie auf Kosten von BP für den Rettungseinsatz zur Verfügung, der Konzern zahlt 2000 Dollar pro Tag. Young droht vorsorglich schon mal: „Sollte BP nicht mehr hier mieten, dann gehe ich vor Gericht."