Shootingstar Thomas Müller spricht vor dem Länderspiel gegen die Niederlande über seinen besten Kumpel, Facebook und falsche Freunde.

Hamburg. Thomas Müller ist wahrscheinlich der letzte Fußballer, den man als Einzelgänger bezeichnen kann. Der Bayern-Profi ist beliebt, freundlich und ausgesprochen höflich, auch beim Abendblatt-Termin im Side-Hotel. Vor dem Länderspiel gegen die Niederlande (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) in der Imtech-Arena erklärt Müller, warum er trotzdem nur zwei Kumpel aus der Schulzeit als echte Freunde bezeichnet.

Hamburger Abendblatt: Herr Müller, beim letzten Länderspiel gegen die Niederlande in Hamburg waren Sie noch gar nicht geboren. Haben Sie trotzdem mal einen Zusammenschnitt des EM-Halbfinales von 1988 gesehen?

Thomas Müller: Ich habe zwar in den vergangenen Tagen viel über dieses Spiel gelesen, aber die Tore von Marco van Basten habe ich tatsächlich noch nie im Fernsehen gesehen. Es ist aber auch schon wirklich lange her.

Wie damals sind auch diesmal Deutschland und die Niederlande im engsten Favoritenkreis auf den EM-Titel.

Müller: Das stimmt. Zusammen mit Spanien gelten Deutschland und die Niederlande als die Top-Favoriten. Auch deswegen ist das Spiel in Hamburg eine echte Standortbestimmung.

Löw lässt Gomez und Klose stürmen - Özil gesetzt

Kann man da überhaupt noch von Freundschaftsspiel sprechen?

Müller: Ich bin zwar erst 22 Jahre alt, habe aber schon mitbekommen, dass diese Begegnung aufgrund der traditionsreichen Geschichte und der großen Rivalität beider Teams in früheren Jahren ein echtes Prestigeduell ist. Es muss da oft auf und abseits des Platzes hoch hergegangen sein.

Ihr Kumpel Thomas Oppenheimer spielt bei den Hamburg Freezers Eishockey. Haben Sie ihm eine Karte organisiert?

Müller: Natürlich wird er im Stadion dabei sein. Ich kenne Thomas noch aus meiner Schulzeit. Ich habe im oberbayerischen Pähl gewohnt, er im 20 Minuten entfernten Peissenberg. Gemeinsam sind wir in Weilheim ins Gymnasium gegangen, seitdem sind wir beste Freunde. Wir sehen uns leider nur sehr selten, aber dieses Spiel wollte er unter keinen Umständen verpassen.

Ist es schwer, Ihre Freundschaft trotz der großen Distanz zu pflegen?

Müller: Überhaupt nicht. Wir müssen nicht jeden Tag telefonieren, um unsere Freundschaft am Leben zu halten. Es kann auch mal vorkommen, dass wir anderthalb Monate lang gar keinen Kontakt haben. Trotzdem werden wir wahrscheinlich immer Freunde sein.

Sie haben 846 754 Freunde bei Facebook. Wie viele gute Freunde sind dabei?

Müller: Bei Facebook hat man natürlich keine wirklichen Freunde. Ich habe nur zwei echte Freunde, Thomas und Tobias. Beide kenne ich schon seit Ewigkeiten. Tobias hat gerade sein Studium in Mannheim beendet. Natürlich habe ich auch viele Bekannte, aber Thomas und Tobias sind meine besten Freunde.

Haben Sie Angst vor falschen Freunden?

Müller: Das Wort Angst ist übertrieben. Nicht jeder, der mir Hallo sagt, will mein Freund werden. Ich hatte sehr schnellen und sehr plötzlichen Erfolg, da sind dann Schulterklopfer ganz normal. Das muss man einfach wissen. Ich bin nicht der große Partygänger, aber wenn ich in eine Bar gehen und eine Runde geben würde, dann hätte ich schnell viele "Freunde".

Haben Sie keine guten Freunde bei Bayern oder in der Nationalelf?

Müller: Wir verbringen viel Zeit miteinander, und eigentlich verstehen wir uns auch sehr gut. Aber trotzdem sind wir in erster Linie nur Arbeitskollegen, keine echten Freunde. Es können sich bestimmt über die Jahre Freundschaften entwickeln, aber ich schätze mal, dass man mit den meisten Spielern nach der Karriere relativ selten Kontakt hat.

Der uralte Spruch "Elf Freunde müsst ihr sein" bleibt also in der Mottenkiste?

Müller: So würde ich das nicht sagen. Für den Erfolg ist es schon wichtig, dass man sich in der Mannschaft auch menschlich gut versteht. Dann läuft man schon den einen oder anderen Meter mehr für seinen Kollegen. Bei Bayern und in der Nationalmannschaft verstehen wir uns jedenfalls richtig gut.

Bei der WM 2010 wurden Sie zum Shootingstar. Wie lebt es sich mit dem plötzlichen Erfolg?

Müller: Ich kann das schon ganz gut reflektieren. Allerdings muss ich mich auch selbst immer wieder daran erinnern, dass ich nicht alles so ernst nehmen darf, was in mancher Zeitung so geschrieben wird. Wobei ich gestehen muss, dass es mich schon ärgert, wenn ich nach einem Spiel schlecht benotet werde, in dem ich mich selbst eigentlich gut gesehen habe. Umgekehrt werde ich häufig auch gut benotet, obwohl ich selbst total unzufrieden war. Manchmal muss ich mich dann daran erinnern, dass niemand was Negatives über mich aus persönlichen Gründen schreibt. Das gehört ganz einfach zum Geschäft.

Lesen Sie alle Artikel über sich?

Müller: Ich lese gerne den Sportteil in der Zeitung. Und wenn dann über mich berichtet wird, dann lese ich das natürlich auch. Trotzdem hat das dann keinen großen Einfluss auf meinen Tag. Privat hat meine Frau den meisten Einfluss auf mich, sportlich mein Trainer.

Gibt es von Ihrer Frau auch eine Note nach dem Spiel?

Müller: Gott sei Dank nicht. Meine Frau schaut sich zwar meine Spiele an, interessiert sich ansonsten aber überhaupt nicht für Fußball. Und es tut auch mal ganz gut, nicht auch noch zu Hause nur über Fußball zu reden.

Hamburgs neuer Sportchef Frank Arnesen hat Sie kürzlich einen perfekten Fußballer genannt. Was genau ist der perfekte Fußballer?

Müller: Oha, da müssen Sie lieber den Herrn Arnesen fragen. Natürlich fühle ich mich von solchen Komplimenten geschmeichelt, aber ich kann sie auch gut einschätzen.

Wie würden Sie denn selbst Ihre Entwicklung bewerten?

Müller: Unbewusst hat mich die WM 2010 schon ein wenig unter Druck gesetzt, schließlich will niemand schlechter werden. Diesen Druck habe ich aber ausgehalten. Mir ist schon klar, dass ich bei der WM 2010 wie eine Rakete hochgeschossen bin, aber dazu gehört Können und auch eine ganze Portion Glück. Obwohl ich sehr viel unter Louis van Gaal gelernt habe, bin ich noch lange nicht der perfekte Fußballer, für den mich vielleicht Frank Arnesen hält.

Ist van Gaal ihr wichtigster Förderer?

Müller: Er hat mich nicht nur zu den Profis geholt, sondern mich auch als Fußballer enorm weitergebracht. Fachlich ist er einer der Besten, auch wenn man das vor einem Spiel gegen die Niederlande vielleicht nicht zu laut sagen darf (lacht) . Natürlich profitiere ich jetzt auch von der Erfahrung von Jupp Heynckes und seit Langem auch von Jogi Löw.