Londons Bürgermeister Boris Johnson ist bei einem seiner Auftritte während der Olympischen Spiele baumelnd an einem Seil hängen geblieben.

London. Die unfreiwillige Komik brachte es in wenigen Minuten zum Stadtgespräch Nummer eins. Doch diesmal hätte Londons Bürgermeister Boris Johnson lieber auf die vielen Schlagzeilen verzichtet. Wie eine Weihnachtsfigur am Christbaum baumelte er mit blauem Helm auf dem Kopf und je einer britischen Flagge in der linken und in der rechten Hand an einem Drahtseil, Zip Wire genannt. Eigentlich sollte er in einen Tragegurt geschnallt staatsmännisch sportlich durch den Victoria Park im Osten der Stadt schweben, blieb aber in der Mitte der Strecke stecken.

"Es ist lustig, aber es sollte schon schneller vorwärtsgehen“, rief Johnson den Besuchern zu und fügte an: "Das ist das britische Team.“ Sein Pressesprecher räumte hinterher augenzwinkernd ein, dass er für diese Darbietung keine Goldmedaille verdient gehabt hätte. Wie so oft befreite sich Johnson am Ende wieder souverän und mit Selbstironie aus einer misslichen und hilflosen Situation. Stillstand passt nicht zu ihm.

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Den Politiker als bunten oder gar schrägen Vogel zu bezeichnen, ist nicht untertrieben. Er sieht mit seinem blonden Wuschelkopf aus wie ein wirres Mitglied einer Popband. Die Londoner lieben ihn. Er ist omnipräsent, aber gleichzeitig nicht zu greifen. Schon frühmorgens fordert seine Stimme die Pendler am Bahnhof auf, dass sie doch bitteschön wegen Olympia genau überlegen sollten, ob sie diese oder jene Linie nehmen wollen. Wenn sie dann abends zu Hause den Fernseher einschalten, müssen sie nicht lange zappen, um "Boris“, wie er sich selbst salopp nennt, zu sehen. Der 48-Jährige ist der schrillste Politiker, den die Insel zu bieten hat. Er ist laut, aber auch feinsinnig, mal Clown, mal Machtmensch, der genau weiß, wie man schnell nach oben kommt.

Johnson pflegt sein Image des anderen, nonkonformen Politikers, der sich aus Parteidisziplin nichts zu machen scheint. In Großbritannien hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er eines Tages Premierminister David Cameron herausfordern und damit nicht länger nur die Stadt, sondern das ganze Land regieren möchte. In Umfragen ist die "Blonde Gefahr“, wie ihn Kritiker nennen, schon beliebter als sein konservativer Parteifreund.

Dass er allerdings bisweilen mit seiner politischen Unkorrektheit übertreibt, mussten die Beachvolleyballerinnen neulich erfahren. Johnson gefällt das schnelle Spiel mit den leicht bekleideten Sportlerinnen. Er ist oft am Horse Guards Parade anzutreffen. Doch in seiner Kolumne für den "Daily Telegraph“, der Zeitung, für die er in den 90er Jahren als Korrespondent aus Brüssel berichtete, nannte er die Beachvolleyballerinnen "halb-nackte Spielerinnen“, die aussähen wie "nasse Ottern“. Er räumte nun ein, dass er seine Worte inzwischen bedauert und die Sportlerinnen nicht verletzen wollte.

Das Schreiben ist schon lange seine Leidenschaft. Mit zehn Jahren beginnt er sich für die Leitartikel im "Economist“ zu interessieren und sagt, dass er eines Tages "König der Welt“ werden wolle. Johnson studierte an der Eliteuniversität Oxford Klassische Philologie und hat mit seiner zweiten Ehefrau Marina vier Kinder.

Seine Amtszeit endet nach der Wiederwahl in diesem Jahr 2016. Sein Vermächtnis der ersten vier Jahre ist der kommunale Fahrradverleih, im Volksmund bekannt als "Boris Bikes“. Das gibt seiner Politik zumindest einen grünen Anstrich. Ansonsten hat er in der Stadt nicht viel zu entscheiden, das meiste regeln entweder die Londoner Stadtteile selbst oder aber die Regierung. Das findet er nicht schlimm. So bleibt Johnson mehr Zeit, um seiner Leidenschaft als Autor zu frönen.

Seine wöchentliche Gastbeiträge sollen seinem ehemaligen Arbeitgeber 320.000 Euro wert sein. Außerdem schreibt er Bücher. Sein bisher letzter Roman, der in diesem Frühjahr auch auf Deutsch erschienen ist, ist eine Satire mit dem von Shakespeare entliehenen Untertitel "Komödie der Irrungen“. Es geht um einen misslungenen Anschlag islamistischer Terroristen in London.