Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Es bedurfte wohl dieses Skandals im Degenhalbfinale zwischen der deutschen Olympiasiegerin Britta Heidemann und der Koreanerin Shin A Lam, um einer breiten Fernseh-Öffentlichkeit Sinn und Unsinn der Regeln im Fechten näherzubringen. Und wie bei vielen Gesetzen und Verordnungen muss auch diesmal festgestellt werden, dass gut gemeint das Gegenteil von gut bleibt.

Worum geht es? Steht ein Kampf nach neun Minuten unentschieden, wird er um eine letzte Minute verlängert. Vorher, und das ist das Problem, wird jedoch ausgelost, wer gewinnen würde, sollte keiner der Duellanten innerhalb dieser 60 Sekunden den finalen Treffer setzen. Das klingt nicht nur unsportlich, das ist es auch.

Einen Olympiasieger per Zufallsgenerator darf es nicht geben. Da ist keine Begründung stichhaltig genug, um diese Grausamkeit zu rechtfertigen. Ein Wettkampf sollte immer von den beteiligten Sportlern entschieden werden - nie von außen. Zumal der benachteiligte Fechter keine Kompensation in welcher Form auch immer erhält, sondern von Anfang an in seiner Kampfführung im Nachteil ist, weil er im Gegensatz zu seinem Gegner plötzlich Risiken eingehen muss.

Sport definiert sich als Wettstreit unter gleichen Bedingungen. Spätestens mit dem vorgezogenen Losentscheid sind diese ungleich. Weil es im Fechten kein Elfmeterschießen geben kann, muss ein Kampf eben so lange ausgefochten werden, bis der sportliche Sieger feststeht. Das Fernsehen, das gewöhnlich auf kürzere Formate drängt, hätte damit kein Problem. Bei Olympia sind die Einschaltquoten auch beim Fechten hervorragend.