Lehrstelle: Nach 180 Bewerbungen hat Benjamin es endlich geschafft. Der 16jährige erfüllt sich einen Berufstraum: Er wird Landschaftsgärtner. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

Der Blick in den Briefkasten ist für ihn zu einem morgendlichen Ritual geworden. Seit mehr als eineinhalb Jahren führt Benjamin Berwalds Weg nach dem Aufstehen zu der weißen Box im Eingangsbereich des Mietshauses in Lohbrügge. Es ist der unterste Kasten in der Reihe, den der 16jährige täglich aufschließt. Immer in der Hoffnung, einen Brief darin zu finden, in dem einmal nicht die Worte "es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen" oder "wir haben uns leider für einen anderen Bewerber entschieden" stehen. 20 Monate ist Benjamins Hoffnung enttäuscht worden. Bis zu dem Dienstag morgen vor zwei Wochen.

"Ich habe eine Lehrstelle", sagt der blonde Junge, und seiner Stimme ist anzuhören, daß er es selbst kaum glauben kann. 180 Bewerbungen hat Benjamin dafür losgeschickt. 180 Anschreiben formuliert, 180 Briefumschläge zugeklebt und 180mal die Daumen gedrückt. Denn der ehemalige Schüler der Schule Richard-Linde-Weg wußte ganz genau, was er werden wollte. "Mein Traum war es die ganze Zeit, Landschaftsgärtner zu werden", sagt Benjamin. So wie sein Opa, der seinen Enkel schon in Kindertagen mit in die Natur genommen hat. Ein Praktikum in einer Gärtnerei hatte ihn dann restlos überzeugt. Seitdem liebt es Benjamin, draußen zu sein, egal ob die Sonne scheint oder es in Strömen regnet. In der Erde buddeln, Blüten zum Blühen und Bäume zum Wachsen bringen. Und später einmal selbst eine eigene Gärtnerei leiten.

Bereits im Herbst 2004 beginnt Benjamin damit, die ersten Bewerbungen zu schreiben. Am Anfang schickt er sie noch einzeln ab, mit der Zeit werden es mehr. Benjamin produziert die Anschreiben "in Serie", klebt Briefmarken "im Akkord". Einmal trägt er einen Stapel mit 40 Bewerbungen zur Post. Prompt kamen die Antworten: Keine Ausbildungsmöglichkeiten, bereits vergebene Plätze, zuviel und zu gute Konkurrenz - die Liste der Begründungen war lang. Auch, daß er nicht kräftig genug für den Job sei, hörte Benjamin. Sein Wille war dafür um so stärker.

Doch mit jeder Absage sank die Hoffnung. Es folgte die Unlust, ursprünglicher Ehrgeiz wich der Gleichgültigkeit. Zum Schluß ist es seine alleinerziehende Mutter, die für ihren Sohn Gärtnereien in ganz Deutschland abtelefoniert, ihm bei den Anschreiben hilft. Erfolglos.

Eine weiterführende Schule kam für den begeisterten Ruderer trotzdem nicht in Frage. "Ich wollte endlich zur Arbeitswelt gehören, auf eigenen Füßen stehen", sagt Benjamin. Er entscheidet sich für eine Einstiegsqualifizierung Jugendlicher, ein sogenanntes EQJ. Mit Hilfe der Agentur für Arbeit findet er einen Platz an der Gewerbeschule für Agrarwirtschaft in Billwerder, hat einmal die Woche Berufsschule, die anderen Tage ist er für Praktika in mehreren Betrieben. Und er bewirbt sich weiter.

Am Ende läßt Benjamin das mit den schriftlichen Anfragen bleiben und stellt sich gleich persönlich vor. Dann gibt es die Absage direkt ins Gesicht. "Das war wirklich hart", sagt er. An Aufgeben habe er trotzdem nie gedacht. Und seine Geduld wird belohnt: Ein Betrieb in Billwerder bietet ihm doch noch einen Platz an - obwohl er auch dort eigentlich schon eine Absage bekommen hatte. Doch selbst, wenn es dabei geblieben wäre, hätte Benjamin weitergemacht. Vorerst wäre er ein Freiwilliges Ökologisches Jahr angetreten. Und hätte viel Zeit in der Natur verbracht.