Gesundheitsminister Daniel Bahr setzt nach jüngsten Skandalen auf mehr Transparenz. Hamburger Gesundheitsbehörde reicht das nicht.

Berlin. Es war schon eine beeindruckende Expertenriege, mit der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gestern Mittag aufwarten konnte. Gleich zu sechzehnt saßen er und die Teilnehmer des Spitzengesprächs zum Organspendeskandal auf dem Podium: Vertreter von Bundesländern, Krankenkassen, Krankenhäusern, Ärzteverbänden, von Eurotransplant und der Deutschen Stiftung für Organtransplantation DSO.

Nach einem zweistündigen Gespräch hatte man sich auf Maßnahmen geeinigt, die Fälle wie jene aus Göttingen und Regensburg künftig verhindern sollen. Und man hatte im Wesentlichen zwei Botschaften parat. Erstens: Transparenz ist das Gebot der Stunde. Zweitens: Das Gros der Ärzte ist vertrauenswürdig. Die bekannt gewordenen Skandale seien absolute Einzelfälle. "Jetzt erst recht fordern wir die Bevölkerung dazu auf, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen", bekräftigte Bahr deshalb. Jeder solle eine Entscheidung treffen, ob er spenden wolle oder nicht. "Denn jeder, der sich nicht entscheidet, lastet diese Entscheidung seinen Angehörigen auf." Organspende, so Bahr, sei ein Akt der Nächstenliebe.

+++ An Todkranken vorbei +++

Rund 3900 Organe wurden im vergangenen Jahr in Deutschland entnommen. Angesichts rund 12 000 auf Leber, Niere oder Herz wartender todkranker Patienten ist das ohnehin schon eine geringe Zahl, die noch geringer werden könnte, wenn das Misstrauen in die Vergabepraxis weiter leidet. Bahrs Großaufgebot und seine werbenden Worte müssen deshalb nicht nur das Image von säumigen Medizinern und Behörden aufpolieren, sie müssen auch dafür sorgen, dass die Deutschen sich weiter zur Organspende bereit erklären, um damit Leben zu retten. Ein solches Signal ist nötig geworden, seit bekannt wurde, dass Patienten gegen Geld Spenderorgane verschafft worden sein sollen, indem Daten über ihren Krankheitszustand offenbar manipuliert wurden und sie so auf der Warteliste nach oben rückten. In Verdacht stehen drei Ärzte, gegen die Staatsanwälte bereits ermitteln.

Damit so etwas nicht noch einmal passiert, soll es nun vor allem mehr und intensivere Kontrollen geben. Bei den 49 deutschen Transplantationszentren soll nun unangekündigt und anlassunabhängig geprüft werden, das wurde schon mit der Reform des Transplantationsgesetzes zum 1. August beschlossen. Das werde "sicherlich dazu beitragen, dass Kontrolle und Aufsicht besser werden", sagte Bahr. Die dafür zuständige Prüfungskommission wird kurzfristig um weitere unabhängige Experten erweitert, zudem werden bereits jetzt alle Zentren einmal genau unter die Lupe genommen. Auch die Länder sollen verstärkt an den Kontrollen beteiligt werden. Künftig gilt für jede Aufnahme in die Warteliste für ein Spenderorgan ein Sechs-Augen-Prinzip. Und was die Experten für besonders wichtig halten: Die Verantwortlichkeit für die Einhaltung des Transplantationsgesetzes hat nun bei der Klinikleitung zu liegen. Das heißt im Klartext: Bei Manipulation trifft nicht nur den Arzt die Schuld, sondern auch der Krankenhauschef muss büßen.

Für Axel Rahmel, Direktor von Eurotransplant, der für die Organverteilung in sieben europäischen Ländern zuständigen Stiftung, ist das entscheidend: "Auch die klinischen Direktoren tragen nun Verantwortung mit allen Sanktionsmöglichkeiten", sagt Rahmel. Sie könnten sogar ihre Zulassung verlieren, wenn jemand in ihrem Haus bei den Krankendaten trickst. Insofern dürften die Klinikleitungen nun tatsächlich den Druck hin zu korrekten Abläufen erhöhen.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) ist mit den Ergebnissen des Gipfeltreffens nur zum Teil zufrieden. "Das Ergebnis des Spitzengesprächs ist nicht so weitreichend, wie ich es für notwendig halte - aber es ist besser, als man erwarten durfte", sagte sie dem Abendblatt. Vergangene Woche war in einem internen Papier aus der Gesundheitsbehörde von weiterreichenden Vorschlägen zur Manipulationsvermeidung die Rede, als jetzt in Berlin vereinbart wurde. "Die Einführung verdachtsunabhängiger Kontrollen ist wichtig. Und auch dass die Länder beteiligt werden, ist ein Fortschritt", betonte die Senatorin. Dass auch über die Einführung eines Transplantationsregisters diskutiert werden soll, begrüßt sie außerdem. Trotzdem gebe es aber Punkte, an denen man arbeiten müsse.

Dazu gehört für Prüfer-Storcks die Reduzierung der Transplantationszentren. In manchen Zentren würden bei bestimmten Organen nur ganz wenige Transplantationen durchgeführt, dort verfüge man dann nicht immer über nötige Erfahrung in allen Bereichen. "Zudem macht die hohe Anzahl an Zentren den Vermittlungsaufwand für Eurotransplant sehr komplex. Wenn wir das reduzieren, würde die Vermittlung der Organe vereinfacht werden." Wichtig sei vor allem, dass Fehlanreize noch stärker vermieden würden. "Statt jede Transplantation einzeln zu vergüten, sollten Transplantationszentren feste Jahresbudgets zugewiesen werden. So können wir die Operationen ganz von wirtschaftlichen Interessen loslösen", so die SPD-Politikerin.

Nach Angaben der Bundesärztekammer hat es in den Jahren 2000 bis 2011 bei Organverpflanzungen insgesamt 31 Verstöße gegen die Richtlinien gegeben, wovon 21 an staatliche Behörden oder andere Institutionen weitergemeldet wurden. Bei 50 700 Transplantationen gab es 119 Auffälligkeiten.