Der Vorstoß des Stadtstaats auf Bundesebene sieht schärfere Kontrollen bei Transplantationen vor. Keine Extra-Prämien mehr für Mediziner.

Hamburg. Aus der Spitzenmedizin soll kein Geschäft mit Lebern, Nieren und Herzen werden: Nach dem Skandal um mutmaßliche Manipulationen bei der Organspende in Göttingen und Regensburg will Hamburg die Regeln für Transplantationen bundesweit drastisch verschärfen. In einem internen Papier der Gesundheitsbehörde, das dem Hamburger Abendblatt vorliegt, ist die Rede von strenger staatlicher Kontrolle, Sanktionen im Berufs- und Strafrecht sowie einer weitgehenden Loslösung der Transplantationen von wirtschaftlichen Interessen. Auch dürfen Ärzte nach den Hamburger Plänen keine Boni oder Prämien mehr bekommen, die von der Zahl der Operationen abhängt.

Das Maßnahmen-Papier ist als Vorlage für den Krisengipfel in der kommenden Woche gedacht, den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) einberufen hat. Daran sollen auch Experten aus der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation sowie Ländervertreter teilnehmen. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) will auf den Bund Druck machen. Ein erstes Treffen zur Vorbereitung des Gipfels endete ergebnislos.

Prüfer-Storcks befürchtet offenbar, dass sich bei der Organspende wenig tut. Sie hat in das interne Papier hineinschreiben lassen: "Die Vorfälle in Regensburg und Göttingen beruhen zwar offenbar auf Verfehlungen einzelner Ärzte. Sie zeigen aber, dass unser System der Organtransplantation solches Fehlverhalten zulässt, in wirtschaftlicher Hinsicht vielleicht sogar Anreize dafür setzt." Jetzt gehe es darum, das Vertrauen der potenziellen Organspender in der Bevölkerung zurückzugewinnen und die Versäumnisse aufzuklären.

+++ Warten und Hoffen auf ein zweites Leben +++

Die gerade in Kraft getretene Gesetzreform von Gesundheitsminister Bahr hält Hamburg für unzureichend. In dem Behördenpapier heißt es, es gebe derzeit gar keine gesetzlichen Regeln für die verschiedenen Vergabeverfahren für Organe. Das ist eine deutliche Kritik an der Arbeit der Bundesärztekammer. An den "verdachtsunabhängigen Prüfungen" sollen Behörden beteiligt werden. Zuletzt war immer wieder bemängelt worden, dass im "beschleunigten Verfahren" gar nicht die Patienten die lebensrettenden Organe bekämen, die sie am dringendsten brauchen.

Bei den Fällen in Göttingen und Regensburg sollen Laborwerte von bedürftigen Patienten manipuliert worden sein, um sie auf der Rangliste nach oben zu bringen.

Als positives Vorbild nennt das Papier das Hamburger UKE, wo deutlich mehr Experten die Situation von Patienten beurteilen. Außerdem soll die Zahl von 49 Transplantationszentren in Deutschland auf 20 bis 25 sinken. Für sie sind eigene Budgets geplant, die ausschließlich von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden.

+++ Organspende-Vergehen in Hamburger Klinik UKE registriert +++

Weniger Zentren bedeutet auch: Die Vermittlung durch die Organspende-Institution Eurotransplant verläuft dann problemloser. Zuletzt war ein Fall bekannt geworden, in dem es offensichtlich ein Missverständnis zwischen einer Klinik und Eurotransplant über eine geteilte Leber gegeben hat.

Die Überlebenschancen für die Patienten hängen stark von der Operationserfahrung der Ärzte ab. Deshalb heißt es im Hamburger Maßnahmekatalog: Es könne nicht sein, dass von den 2055 Nieren, die in Deutschland 2011 von Verstorbenen transplantiert wurden, in einigen Zentren 140 und im Schlusslicht der Kliniken sogar nur eine Niere eingesetzt wurde.