In der Bundesärztekammer einigten sich Mediziner, Kliniken und Krankenkassen darauf, im Herbst eine neue Richtlinie ausarbeiten zu wollen.

Berlin. Die Bundesärztekammer will künftig die Anmeldung von Patienten für die Organ-Wartelisten kontrollieren lassen. Das sogenannte Vier-Augen-Prinzip könne bereits im Herbst in den Richtlinien zur Organtransplantation verankert werden, sagte der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Hans Lilie, am Donnerstag in Berlin nach einer Sondersitzung der Prüfungs- und Kontrollkommissionen. Das Vier-Augen-Prinzip soll eine von mehreren Verschärfungen sein. Kritikern gehen die Vereinbarungen nicht weit genug.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte, der kontrollierende Arzt könne etwa der Labormediziner sein. Im Göttinger Transplantationsskandal hatte der für die Leber-Transplantationen zuständige Arzt falsche Laborwerte angegeben, damit seine Patienten kränker erscheinen. Dadurch rückten sie auf den Wartelisten nach oben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in mehr als 20 Einzelfällen. Auch im Regensburger Transplantationszentrum, wo der Arzt zuvor tätig war, waren Daten manipuliert worden.

Die Ärzteschaft, der Spitzenverband der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben sich darüber verständigt, mehr Transparenz in die Transplantationsmedizin bringen. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, die Prüfungskommissionen sollten künftig die Kliniken regelmäßig kontrollieren und die Berichte veröffentlichen. Schweres ärztliches Fehlverhalten solle mit dem Entzug der Approbation bestraft werden. Auch die Schließung von Transplantationszentren müsse möglich sein. Die Vorhaben seien Grundlage des Spitzengesprächs mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am 27. August, sagte Montgomery.

Bahr begrüßte die Erklärung als ersten wichtigen Schritt. Es gelinge nur gemeinsam, das Vertrauen in die Organspende wieder herzustellen. Zuvor hatte er harte Strafen gefordert. Es müsse verhindert werden, dass Ärzte manipulieren können. Der Ruf nach einer staatlichen Organvergabe sei aber keine Lösung, erklärte Bahr. Das sehen Ärzte, Kassen und Kliniken genauso. Die eigenen Prüfkommissionen müssten jedoch stärker mit staatlichen Ermittlungen verschränkt werden, sagte Montgomery.

Lilie betonte, die Arbeitsmöglichkeiten der Prüfkommission hätten sich bereits durch die zum August in Kraft getretene Novelle des Transplantationsgesetzes verbessert. Die Kommissionen hätten nun das Recht, bei Kliniken, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der europäischen Organvermittlungs-Stiftung Eurotransplant Unterlagen anzufordern. Bisher konnten den Kontrolleuren Akten verweigert werden.

+++ Organspende in Zahlen +++

Demgegenüber kritisierte der Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, mit den Eigen-Kontrollen werde es nicht gelingen, Transparenz herzustellen. Er verlangte abermals eine staatlich organisierte Organvergabe. Auch die Grünen forderten mehr staatliche Kontrollen. Es könne nicht sein, dass Vereine und Stiftungen über das Transplantationswesen entscheiden, erklärten die Bundestagsabgeordneten Harald Terpe und Elisabeth Scharfenberg.

Auch der Medizinrechtler Thomas Gutmann bezeichnete die Eigen-Kontrollen als unzureichend. „Wenn bei den Ärzten, die bisher von dem System profitiert haben, jetzt vier Augen statt zwei Augen draufschauen, was soll sich denn groß ändern?“ Das Problem seien nicht die jetzt ans Tageslicht gekommenen Fälle hochkriminellen Verhaltens einzelner Ärzte, sondern die grundsätzliche Struktur der Organverteilung, an der niemand etwas ändern wolle, sagte der Wissenschaftler der Universität Münster im WDR. „Die Organverteilung ist so, wie wir sie organisiert haben, strukturell unkontrollierbar, strukturell ohne Rechtsschutz, strukturell ohne Aufsicht“.

Zum beschleunigten Vermittlungsverfahren sagte Ärztekammerpräsident Montgomery, die Regeln müssten so gefasst werden, dass es die Ausnahme bleibe. Inzwischen wird ein erheblicher Teil der Organe nach diesem Verfahren vergeben, an dem Eurotransplant nicht beteiligt ist. Kritiker sehen dadurch die Gefahr von Manipulationen.

In Deutschland arbeiten 50 Transplantationszentren mit 100 Kliniken zusammen, in denen Organe entnommen werden. Seit 2001 sind in Deutschland 30.000 Organe transplantiert worden. 12.000 Patienten stehen auf den Wartelisten. (epd)