Verzweiflung - Die schlimmste Hochwasserkatastrophe seit vielen Jahrzehnten stürzt immer mehr Menschen in Europa ins Elend.

Dresden/Prag. Noch immer steigt in vielen Orten das Wasser. Hunderttausende mussten bis Mittwochabend vor allem in Ostdeutschland, Bayern, Tschechien, Rumänien und Russland ihre Wohnungen verlassen. Allein in Deutschland kamen vermutlich neun Menschen ums Leben, in ganz Europa 98. Die Wassermassen aus Tschechien strömen mittlerweile über die deutsche Grenze. Elbe und Donau stiegen weiter bedrohlich an. Allein in Sachsen kamen vermutlich acht Menschen in den Fluten ums Leben, 95 wurden verletzt, sechs weitere sind vermisst. In vielen Orten rissen die Fluten Teile von Häusern weg, Straßen wurden aufgerissen und der Untergrund weggespült. "Es ist ein wirklich bedrückender, ja grauenvoller Zustand", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich gestern vor Ort im sächsischen Grimma informierte. In Dresden werden die Lebensmittel knapp In Dresden bereitete sich die Bundeswehr am Abend auf die Evakuierung von Krankenhäusern in der teilweise überfluteten Stadt vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sollen im Ernstfall bis zu 3600 Patienten in andere Städte ausgeflogen werden. Im Einsatz seien sechs Transportmaschinen der Luftwaffe sowie 72 Ärzte und Sanitäter. Schon jetzt drohen in Dresden erste Engpässe bei der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. "Viele Bäcker haben keine Kapazitäten mehr", sagte Stadtsprecher Kai Schulz. "Viele Betriebe liegen nahe an Flüssen und haben Wasser in der Backstube", sagte der Obermeister der Bäckerinnung, Hans-Jürgen Matzker. Andere seien ohne Strom, Wasser oder Gas. In seinem Laden habe es schon Panikkäufe gegeben. "Wir haben den Verkauf zeitweise auf ein Brot pro Kunde rationiert." Sachsen-Anhalt in Angst: Das Schlimmste kommt erst noch Katastrophenalarm wurde gestern auch in Sachsen-Anhalt ausgelöst, wo die Lage vor allem in Dessau, Wittenberg und dem Chemiedreieck Bitterfeld als kritisch gilt. Rund 700 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Hilfswerken, aber auch zahlreiche Freiwillige, versuchten am Abend, einen gefährdeten Damm bei Greppin zu sichern, der auch den Chemiepark Bitterfeld mit seinen 350 Firmen schützen soll. Mehrere Orte entlang der unteren Mulde stehen bereits unter Wasser. Und es kommt noch viel schlimmer: Die Hochwasserwelle der Elbe wird Sachsen-Anhalt mit voller Wucht erst am Wochenende erreichen. Das Landesamt für Umweltschutz in Halle sagte Höchstwasserstände an der Elbe voraus, die alles bisher Dagewesene übertreffen könnten. Im Landkreis Bitterfeld wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Bereits seit Dienstagabend galt in Dessau, wo Elbe und Mulde zusammenfließen, die höchste Alarmstufe, seit Mittwochabend auch in der Lutherstadt Wittenberg. Über 4000 Menschen mussten allein in Dessau ihre Häuser verlassen. Prag: 70 000 Menschen sind ohne Obdach In Straubing (Niederbayern) stieg die Donau immer schneller an. Regensburg war teilweise überflutet. In Prag hat das Jahrhunderthochwasser gestern mit dem bisher höchsten Pegel der Moldau den Scheitelpunkt erreicht. Zuvor waren bereits die Altstadt und das ehemalige jüdische Viertel evakuiert worden; insgesamt rund 70 000 Bewohner mussten ihre Häuser verlassen. Allein in Tschechien starben neun Menschen. In Österreich, wo mindestens sieben Menschen ums Leben kamen, überflutete die Donau unter anderem den Wiener Hafen. 60 000 Menschen sind vom Hochwasser betroffen. Die meisten Flutopfer hat Russland zu beklagen. Am Schwarzen Meer kamen bisher 59 Menschen um.