Kommentar

Bundeskanzler und Kandidaten, die Kanzler werden möchten, haben es heutzutage nicht leicht. Sie müssen sich immerfort duellieren, vor Kameras, vor Mikrofonen, vor kleiner oder großer Öffentlichkeit. Und hinterher ziehen beide von dannen, eskortiert von ihren Sekundanten, die meinen, ihre Streiter bestens ausgerüstet zu haben mit den Waffen der fintenreichen Formulierung, des Sachwissens und der Argumente. Ehe sie darüber nachdenken können, ob sie aus dem Duell als Sieger hervorgegangen sind, droht schon das nächste. Früher duellierte man sich in höheren Kreisen im Morgengrauen in nebligen Parks mit dem Ziel, sich seines Gegners ein für alle Mal zu entledigen. Die zivilisierte Form des Zweikampfes überlässt das Finale dem Volke am Wahltag, indem die Kontrahenten bemüht waren, mit verbalem Feuer Eindruck zu schinden. Und das macht es bei dieser Form des Duells so schwer, eindeutig einen Sieger festzustellen. Kanzler- und Kandidaten-Konfrontationen erfordern nicht nur ein hohes Vermögen, Argumente schnell gewichten zu können, sondern auch eine große Beobachtungsgabe: Ob der eine ins Schwitzen kommt oder der andere plötzlich nervös mit den Fingern die Bügelfalte seiner Hose schärft, und wer von beiden sich mit gespielt gelangweiltem Gesicht von seinem Gegner abwendet, weil er dessen These einfach nicht mehr hören kann. Drückt sich gar in solchen Äußerlichkeiten einer der beiden die heimliche Einsicht aus, "Recht hat der andere, nur zugeben darf ichs nicht?" Am Ende bleibt beim Leser und Zuschauer solcher Duelle nur immer ein Eindruck von diesem und jenem übrig und die Gewissheit, die Wahrheit liegt irgendwo zwischen den Duellanten. Und weil Leser und Zuschauer schließlich auch Wähler sind, liegt es bei ihnen, sich für einen zu entscheiden. Hoffentlich trügt sie ihr Eindruck nicht - am 22. September.