Der Ökonom Bernd Raffelhüschen warnt vor Konsequenzen für Beitragszahler. Die Gewinner der Rentengarantie seien die heutigen Rentner.

Hamburg. Bei der Rente scheint momentan vor allem eins sicher: der Streitfaktor. Quer durch alle Parteien wird immer heftiger über die neue Rentengarantie diskutiert, deren Sinn Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) angezweifelt hat. "Ich verstehe die Verwirrung durch Steinbrück überhaupt nicht", sagte CSU-Chef Horst Seehofer. "Es wird keine Rentenkürzung geben - dafür steht die CSU." Die Rentengarantie war im April ohne große Diskussion im Kabinett beschlossen worden.

Deshalb erntet Steinbrück jetzt auch parteiintern harsche Kritik. "Peer Steinbrück sollte dringend in den Urlaub fahren, denn die Diskussion ist völlig überflüssig", sagte der niedersächsische SPD-Chef Garrelt Duin der "Bild"-Zeitung. Doch ist die Diskussion "überflüssig"? Sorgt Steinbrück wirklich nur für "Verwirrung"? Im Hamburger Abendblatt erklärt der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg, was er von der Rentengarantie hält und wer die Verlierer und die Gewinner sind.

Die Verlierer

Die heutigen und zukünftigen Erwerbstätigen sind Raffelhüschens Ansicht nach die Verlierer. "Herr Steinbrück hat vollkommen und uneingeschränkt recht", sagte er dem Abendblatt. Die Rentengarantie sei nichts anderes als ein Wahlgeschenk an ältere Wähler. "Vernünftig ist sie jedenfalls nicht."

Steinbrück hatte die Garantie für stabile Renten kritisiert, weil sie seiner Ansicht nach auf Kosten der jüngeren Generationen gehe. Sie sieht vor, dass die mehr als 20 Millionen Rentner künftig auch bei sinkenden Löhnen keine Kürzung ihrer Bezüge fürchten müssen. Normalerweise ist die Rente per Gesetz an die Lohnentwicklung gekoppelt. "Während andere um ihre Arbeitsplätze bangen, steigen in der Krise die Renten so stark wie seit drei, vier Jahren nicht", kritisierte Steinbrück. Die "Gekniffenen" seien die 25- bis 35-Jährigen.

Rentenexperte Raffelhüschen schätzt dies ähnlich ein: "Wir wissen nicht, ob es die Beitragszahler oder die Steuerzahler sind, die die größten Verlierer sein werden. Wir wissen nur eins: Eine der beiden Gruppen wird verlieren." Es komme dabei darauf an, ob der zukünftige Finanzminister zur Finanzierung der Rente die Beiträge der Erwerbstätigen oder die steuerfinanzierten Bundeszuschüsse erhöhen werde. Auf jeden Fall geht Raffelhüschen davon aus, dass es zu Beitragserhöhungen kommen wird. Dabei sei die Rentenversicherung bislang gut gestellt gewesen - trotz Wirtschafts- und Finanzkrise. "Sie geht gut angefüttert in die Krise", sagte Raffelhüschen dem Abendblatt. "Dieses Polster ist durch die neue Rentengarantie ganz schnell wieder weg." Wie der Experte in einer Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft darlegt, wäre es trotz der Beitragseinbußen infolge der Wirtschaftskrise möglich gewesen, den Beitragssatz 2010 auf 19,6 und 2011 auf 19,2 Prozent zu senken. Stattdessen müsse er laut Studie 2011 aufgrund der Rentengarantie auf mehr als 20 Prozent angehoben werden. Langfristig hätte allerdings auch bei einem Verzicht auf die Rentengarantie der Beitrag bis 2020 auf mehr als 21 Prozent angehoben werden müssen.

Die Gewinner

Die Gewinner der Rentengarantie seien die heutigen Rentner: "Wenn es den Erwerbstätigen gut geht, dann partizipieren die Rentner eins zu eins. Wenn es den Erwerbstätigen schlecht geht, darf das nicht an die Rentner weitergegeben werden", sagte Raffelhüschen. Das sei eine Abkehr vom Gleichbehandlungsgrundsatz. Würde es infolge der Wirtschaftskrise zu Lohnkürzungen kommen, müssten die Renten angepasst werden. "Auch die Rentner müssten also Negativrunden machen", so Raffelhüschen. Die Rentengarantie verhindere dies jedoch. Von Kürzungen verschont bleiben die Rentner dennoch nicht. Die Rentengarantie sieht allerdings vor, dass sie die jetzt ausbleibende Anpassung durch Nullrunden oder reduzierte Erhöhungen später bezahlen müssen - vorausgesetzt, die wirtschaftliche Lage bessert sich.