Sie tagen und tagen - und außerhalb des Schätzerkreises werden die Szenarien immer katastrophenähnlicher. Die Experten, die der Bundesregierung den...

Bonn/Hamburg. Sie tagen und tagen - und außerhalb des Schätzerkreises werden die Szenarien immer katastrophenähnlicher. Die Experten, die der Bundesregierung den künftigen Einheitssatz für die gesetzliche Krankenversicherung empfehlen sollen, sind in der Zwickmühle. Ob nun 15,5 oder sogar 16 Prozent: Schon lange ist klar, dass ihre Schätzung nichts mehr mit dem tatsächlichen Milliardenbedarf der Krankenkassen zu tun hat. Was die Schätzer nach drei Tagen Beratung in Bonn voraussichtlich heute verkünden, ist ein politischer Beitragssatz: So niedrig, dass einige Kassen schon im Frühjahr einen Zusatzbeitrag von acht Euro oder mehr im Monat von ihren Versicherten verlangen müssen. Und so hoch, dass er gerade noch vertretbar ist im Jahr der Bundestagswahl.

Doch von den 20 Millionen Rentnern in Deutschland droht massiver Protest. Die neue Präsidentin des größten Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, warnt im Abendblatt vor einem zu niedrig kalkulierten Beitrag. "Wir sind in großer Sorge, dass der Beitragssatz nicht die Kosten der Krankenkassen abdeckt. Wenn dann ein Zusatzbeitrag erhoben werden muss, zahlen die, die vielleicht nur 495 Euro Rente haben, überproportional viel: nämlich mindestens acht Euro im Monat zusätzlich." Mit Blick auf den anstehenden Bundestagswahlkampf sagte Mascher: "Die Wut auf die Politik ist sehr groß. Um es salopp zu sagen: Die Rentner und die Geringverdiener sind gekniffen."

Mascher sagte, besonders betroffen seien die Betriebsrentner. Sie müssten auf ihre Zusatzrente den vollen Kassenbeitrag zahlen. Jeder fünfte Rentner in Deutschland hat eine zusätzliche Form der privaten Altersvorsorge. Eine Beitragssteigerung trifft also Millionen Menschen doppelt hart.

Die am Dienstag als Nachfolgerin von Walter Hirrlinger gewählte Mascher forderte Entlastungen für die Krankenkassen: "Was die Kassen für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger bekommen, bleibt weit hinter den Kosten zurück. Bei den großen Kostenblöcken wie Krankenhäuser und Arzneimittel werden die vier Milliarden an Steuerzuschüssen nicht ausreichen."

Der Chef des Ersatzkassenverbandes, Thomas Ballast, sprach von einem Beitragssatz von 15,8 Prozent. Die Kostensteigerungen seien: 3 Milliarden Euro zusätzlich für die Krankenhäuser, 2,7 Milliarden Euro Aufschlag für die Ärzte, 700 Millionen Euro für die elektronische Gesundheitskarte und 2,4 Milliarden Euro für Arzneimittel.