Durch Minijobs und längere Zeiten von Arbeitslosigkeit sinkt die gesetzliche Rente. Aber viele sorgen längst privat vor.

Hamburg. Martin Harms (45) ist Handwerker, arbeitet für 7,50 Euro Stundenlohn und geht nach 47 Arbeitsjahren 2030 in Rente. Die Rentenversicherung, in die er immer eingezahlt hat, überweist ihm dann 530 Euro im Monat - zu wenig, um zu leben und weniger als die 615 Euro durchschnittliche Grundsicherung (347 Euro plus Unterkunftkosten). Die Grundsicherung erhält auch, wer gar nicht gearbeitet hat.

Martin Harms ist erfunden, aber der Prototyp des Armuts-Rentners, den NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) vor Augen hat, wenn er sein Konzept zur Erhöhung der Altersbezüge von Mini-Rentnern durchboxen will. Geht es nach Rüttgers, soll Harms' Rente künftig 770 Euro monatlich betragen. Doch wie viele Menschen wie Harms gibt es heute und künftig? Wer konnte zusätzlich privat vorsorgen? Als Riester-Rentner, per Lebensversicherung oder Betriebsrente?

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Rentenniveau

Weil es immer mehr Rentner geben wird, sie immer länger ihre verdiente gesetzliche Rente beziehen und immer weniger Menschen in die Rentenkasse einzahlen, schrumpft dieser Topf. Das Nettorentenniveau (vom Brutto des letzten Verdienstes) betrug 1977 etwa 60 Prozent, heute 50, in zehn Jahren gut 46 Prozent - Tendenz weiter sinkend.

Grundsicherung

Gut 680 000 Menschen erhalten zurzeit die Grundsicherung. Über die Hälfte der Bezieher hat aber nie in die Rentenkasse eingezahlt. Deshalb sagte Rentenversicherungs-Präsident Herbert Rische: "Nicht die zu niedrige Rente ist mehrheitlich der Auslöser des Grundsicherungsbedarfes, sondern die fehlende Absicherung in der Rentenversicherung."

Armutsrisiko

11,6 Prozent der über 65-jährigen Deutschen gelten als armutsgefährdet, in der Gesamtbevölkerung sind es nach Berechnungen des Sachverständigenrates aber sogar 18,3 Prozent (das Abendblatt berichtete). Obwohl das nur eine Momentaufnahme einer relativ wohlhabenden Seniorengeneration ist: Auch das Statistische Bundesamt weist nach, dass in den vergangenen zehn Jahren die Armutsquote bei den 51- bis 70-Jährigen gesunken ist. Jüngere Generationen müssen Armut im Alter statistisch gesehen eher fürchten. Aber sie sorgen inzwischen auch besser vor.

Private Altersvorsorge

Nach einer umfassenden Studie von Rentenversicherung und Arbeitsministerium werden westdeutsche Endvierziger auch mit Betriebsrente und privater Absicherung rund sechs Prozent weniger haben als vergleichbare Pensionäre heute. Dennoch lässt sich an der enormen Zahl von zehn Millionen Riester-Verträgen ablesen, dass der Wille zur privaten Vorsorge zunimmt. Nahezu explodiert ist die betriebliche Altersvorsorge. Zwischen 2001 und 2006 wuchs der Anteil der Beschäftigten mit einer Anwartschaft auf eine Betriebsrente auf über 71 Prozent.

Risiko Arbeitslosigkeit

"Gebrochene Erwerbsbiografie" heißt im Expertendeutsch die Aussicht auf eine schmale Rente. Wer seinen Job verliert, erreicht zunächst etwa 80 Prozent der früheren Rentenbeiträge, rutscht dann jedoch als Bezieher von Arbeitslosengeld II in der Rentenversicherung ab. Für ein Jahr ALG II erwirbt man magere 2,19 Euro Rentenanspruch im Monat. Oft muss man auch das Ersparte anknabbern, um den Lebensunterhalt zu sichern.

Minijobber

Auch geringfügig Beschäftigte, Teilzeitkräfte und Solo-Selbstständige haben nur kleine oder gar keine Ansprüche gegenüber der Rentenversicherung. Und die Zahl der Geringverdiener steigt. Jeder fünfte Vollzeitbeschäftigte erhielt 2006 weniger als 9,61 Euro in West- beziehungsweise 6,81 Euro in Ostdeutschland. Im Jahr 2001 war es laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nur jeder Sechste. Nehmen diese "Patchwork-Biografien" zu, wird es künftig mehr Senioren mit geringen Rentenzahlungen aus öffentlichen Töpfen geben.

Fazit

So leicht lässt sich eine Generation von Mini-Rentnern à la Rüttgers nicht herbeireden. Bei einer Rede in Essen sagte Rentenversicherungs-Chef Rische vor einigen Tagen: "Ich plädiere deshalb ausdrücklich dafür, einer ursachenadäquaten Strategie zur Vermeidung von Altersarmut Priorität einzuräumen vor resignativen Ansätzen, die eine bloße nachträgliche Umverteilung zugunsten von Personen mit niedrigem Alterseinkommen vorsehen."