Mit Jürgen Klimke (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) stehen zwei Hamburger Bundestagsabgeordnete auf der Liste der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle.

Berlin. Das Schreiben, das Jürgen Klimke in dieser Woche vom Bundeskriminalamt (BKA) erhielt, trägt unterhalb des Briefkopfs eine sperrige Betreffzeile: "Schutzmaßnahmen für Mitglieder der Verfassungsorgane des Bundes". Erst in den Zeilen darunter wird ersichtlich, worum es sich bei dem Brief handelt. Klimkes Name ist wie auch der des Hamburger Bundestagskollegen Johannes Kahrs (SPD) auf den Listen der Zwickauer Terrorzelle um Beate Z., Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gefunden worden. Auch die Adresse und eine seit 2004 nicht mehr gültige Telefonnummer der Hamburger FDP-Bürgerschaftsfraktion sind aufgeführt.

Der Brief des BKA sollte Klimke vorerst beruhigen. "Beim jetzigen Stand der Ermittlungen sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die aufgeführten Personen/Objekte Opfer einer Straftat werden sollten oder in anderer Weise gefährdet sind", heißt es in dem Schreiben.

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Der Wandsbeker CDU-Parlamentarier ist dennoch nicht beruhigt. "Die Nachricht, auf der Liste zu stehen, hat in mir ein mulmiges Gefühl ausgelöst. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht", gibt er zu. Und er rätselt, warum er für die Neonazis des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ein mögliches Ziel gewesen sein könnte. "Warum ich auf der Liste stehe, kann mehrere Gründe haben: Ich engagiere mich für Minderheiten, für Menschenrechte und in der Entwicklungspolitik", sagt Klimke.

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Johannes Kahrs glaubt eine Erklärung zu haben, warum sein Name auf der Liste zu finden ist: "Der stete Kampf für das NPD-Verbot und gegen das Umfeld der Rechten hat halt Folgen", sagt der Sozialdemokrat. Für ihn sei das umso mehr "ein Grund, weiterzumachen". Seine unmissverständliche Reaktion auf die neuen Details zur Terrorliste: "Keine Handbreit dem rechten Pack."

Wie Klimke und Kahrs wurde auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen in dieser Woche kontaktiert: Die FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft - genau genommen: die Adresse und die bis zum Mai 2004 gültige Bürotelefonnummer des damaligen Fraktionschefs Müller-Sönksen - steht auf der Liste. Diese Informationen müssten vor dem Mai 2004 gesammelt worden sein, vermutet Müller-Sönksen. Auch er sucht nach einer Erklärung: Er habe sich seinerzeit massiv gegen die Schimpftiraden des damaligen Innensenators Ronald Schill gegen Polen gewandt und auch gegen jede Form des Nationalismus. "Wenn es eine politische Begründung dafür gibt, dass die Hamburger FDP-Fraktion auf der Liste stand, dann vielleicht diese", sagt der heutige medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

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Bereits vergangene Woche war bekannt geworden, dass der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl, der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag, Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf einer Liste standen. Wie viele Terror-Listen existieren und in welcher Form sie gefunden wurden, darüber gab das BKA dem Abendblatt keine Auskunft.

In der Behörde spricht man von "mehreren Datenträgern und schriftlichen Unterlagen", auf denen Namen und Einrichtungen gefunden worden seien. Das BKA bestätigte weder Berichte über eine Liste mit 88 Personen noch über eine mit mehr als 10.000. Experten vermuten, bei der 10.000er-Liste könne es sich auch um einen Adressenverteiler handeln. Womöglich wollte die terroristische Vereinigung, die für zehn Morde verantwortlich gemacht wird, ein selbst produziertes Video an die Adressaten schicken.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand war Beate Z. nicht direkt an den Morden ihrer Komplizen beteiligt. "Nein, die Erkenntnisse haben wir bisher nicht, deutlich nicht", zitierte die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag BKA-Chef Jörg Ziercke. Beate Z. sitzt in U-Haft, Böhnhardt und Mundlos hatten sich vor ihrer Festnahme selbst getötet.