Nach der Stürmung einer Baustelle durchsuchten Ermittler Räume der Initiative “Parkschützer“ und ihres Sprechers Matthias von Herrmann.

Stuttgart. Die strikten Stuttgart-21-Gegner, die sogenannten Parkschützer, haben die Polizeiaktion gegen ihren Sprecher Matthias von Herrmann als „Affentheater“ kritisiert. Es habe zwar einen Durchsuchungsbeschluss gegeben, aber entgegen der Darstellung der Polizei sei es nicht zu einer Durchsuchung der Privaträume oder des Büros von Herrmann gekommen, sagte seine Kollegin Carola Eckstein der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag. „Das ist eine Lüge der Polizei.“

Die Polizei begründete die Aktion damit, dass sich von Herrmann geweigert habe, Beweismaterial zur Verfügung zu stellen. Initiatoren des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 und die Parkschützer hatten auf einer Pressekonferenz Bildmaterial gezeigt, das unter anderem den Angriff auf einen Polizisten am 20. Juni zeige. Damals kam es zu Ausschreitungen bei einer Kundgebung gegen den geplanten Bahnhofsumbau.

Die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Claudia Krauth, sagte, die Aktion gegen die „Parkschützer“ habe keine politischen Hintergründe. „Wir müssen alle Beweismittel auswerten, das verlangt das Gesetz.“ Eckstein hingegen kritisierte die Aktion von Staatsanwaltschaft und Polizei als „völlig unverhältnismäßig“. Nachdem die Ermittler von Herrmann in der Wohnung seiner Mutter nicht angetroffen hätten, habe er sich telefonisch mit ihnen im Büro der Parkschützer verabredet. Dort habe er das gesuchte Bildmaterial übergeben.

Geißler: Scheitern von Stuttgart 21 doch noch möglich

Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler hält es doch noch für möglich, dass der Tiefbahnhof nicht gebaut wird. Er relativierte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa eine frühere Aussage, der Bahnhof werde sowieso gebaut. „Das ist eine persönliche Einschätzung aufgrund des jetzigen Diskussionsstandes. Das kann sich aber jederzeit ändern“, sagte der frühere CDU-Generalsekretär am Mittwoch. „Das hängt vom Ausgang des Stresstests und von den möglicherweise noch ausstehenden Finanzierungsproblemen ab.“ Geißler hatte am Montagabend gesagt: „Der Bahnhof wird sowieso gebaut, das sage ich nur ganz nebenbei.“ Dazu meinte er nun, seine Aussage sei in einer „etwas turbulenten Diskussion“ an der Universität Tübingen gefallen.

Geißler geht derzeit davon aus, dass der Termin 14. Juli für die öffentliche Vorstellung des Stresstests für den Bahnhof wohl nicht zu halten ist. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 verlangt bis zu drei Wochen Zeit, um die Ergebnisse zu prüfen. „Angesichts der Forderungen des Aktionsbündnisses ist dieser Termin eher fraglich.“ Die Bahn besteht bisher auf dem Termin, weil am 15. Juli die Vergabefrist für den Filder-Tunnel und einen weiteren Tunnel im Wert von 750 Millionen Euro ablaufe. An diesem Donnerstag sollen die Gegner des 4,1 Milliarden Euro teuren Bahnvorhabens zunächst weitere Informationen von der Bahn und der Schweizer Verkehrsberatungsfirma sma erhalten.

Stuttgart-21-Mitschöpfer bedauert Proteste

Der Mitschöpfer von Stuttgart 21, Frei Otto, hat die Proteste um das Milliardenprojekt bedauert. „Ich fühle mich irgendwo, was meine letzte Arbeit anbelangt, sehr betrübt, dass etwas geschehen ist, was nie geschehen sollte. Dass praktisch eine Art Volksaufstand mit dieser Arbeit entstanden ist“, sagte der 86-Jährige am Mittwoch in Karlsruhe. Der Stuttgarter Architekt war wegen Sicherheitsbedenken aus dem Projekt ausgestiegen.

Otto übergab am Mittwoch sein mehr als 400 Modelle umfassendes Werksarchiv an das Südwestdeutsche Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Der für die Konstruktion des Zeltdachs am Münchner Olympiastadion bekannte Frei Otto habe eine neue Epoche der Architekturgeschichte definiert, sagte der Leiter des saai, Johann-Josef Böker. Der Bestand werde in den kommenden zwei Jahren erfasst und solle danach der Forschung als Grundlage dienen.

„Die Modelle zeigen meinen Weg, Bauen zu verwirklichen“, erläuterte Otto in einer Rede, die von seiner Tochter Christine Kanstinger vorgetragen wurde. Das KIT hatte das Werkarchiv mit finanzieller Unterstützung des Landes erworben, der Preis wurde aber nicht genannt. Es seien größere Beträge im Spiel gewesen, sagte Böker. (dpa)