Am Montag soll über den Baufortgang des Milliarden-Vorhabens, Kostenfragen sowie den Stresstest und seine Bedingungen gesprochen werden.

Stuttgart. Bahnchef Rüdiger Grube erhöht unmittelbar vor einer wichtigen Sitzung zum Bahnprojekt Stuttgart 21 den Druck auf das Land Baden-Württemberg. „Die neue grün-rote Regierung fordert ohne rechtliche Grundlage, dass wir bis zur geplanten Volksbefragung im Oktober nicht weiterbauen“, sagte Grube der „Berliner Zeitung“ (Sonnabend). „Wir sind verpflichtet, weiter zu bauen. Wenn jemand etwas anderes will, muss er für die entsprechenden Kosten und den Zeitverzug einstehen.“ Wenn die neue grün-rote Landesregierung das Projekt ganz stoppen wolle, müsse das Land auch die Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro tragen, betonte Grube.

An diesem Montag trifft sich zum ersten Mal nach der Regierungsübernahme von Grün-Rot der sogenannte Lenkungskreis der Projektträger. Dort soll über den möglichen Baufortgang des Milliarden-Vorhabens, Kostenfragen sowie den Stresstest und seine Bedingungen gesprochen werden. Nur bis zu diesem Termin hatte die Bahn nach eigenen Angaben einen Baustopp zugesagt. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fordert hingegen einen Baustopp bis zu dem geplanten Volksentscheid im Oktober.

Die Bahn hatte die Mehrkosten im Falle einer halbjährigen Verzögerung des Projekts zuletzt auf mindestens 150 Millionen Euro beziffert. „Baufirmen sprechen bereits von Schadensersatzforderungen, kleinen Subunternehmen droht der Konkurs, sie können keine Löhne mehr bezahlen“, sagte der Bahnchef der Zeitung. Verkehrsminister und Stuttgart-21-Gegner Hermann hatte zuletzt hingegen jede Beteiligung des Landes an diesen Kosten abgelehnt. Das Risiko für die Baustelle trage allein die Bahn, sagte der Minister.

Der Bahnchef machte dagegen deutlich, das Land könne sich auch nach einem positiven Volksentscheid nicht ohne Weiteres aus der Finanzierung des Milliardenprojekts zurückziehen. „Der Finanzierungsvertrag hat keine Ausstiegsklausel“, betonte er. „Alle Projektpartner unterliegen einer Projektförderungspflicht.“ Er zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass der neue Stuttgarter Tiefbahnhof den Stresstest bestehen werde. Dabei wird der Zugverkehr in dem neuen Bahnhof simuliert, um zu sehen, ob die unterirdische Durchgangsstation tatsächlich so leistungsfähig ist, wie von den Planern behauptet. Verkehrsminister Hermann hatte zuletzt allerdings schon die mangelnde Transparenz des Stresstests kritisiert.

Der Lenkungskreis, der sich am Montag trifft, ist das zentrale Kontroll- und Steuerungsgremium für Kosten, Zeitrahmen, Qualität des auf 4,1 Milliarden Euro veranschlagten Bahnprojekts. Entscheidungen werden einvernehmlich getroffen, wobei die Bahnseite und die öffentliche Hand je eine Stimme haben. Sollten sich beide Seiten am Montag nicht auf einen verlängerten Baustopp einigen, könnte demnächst der Südflügel des Bahnhofsgebäudes abgerissen werden. Dieser Schritt könnte ähnlich wie beim Abriss des Nordflügels zu einem neuen Sturm des Protestes in der Stadt führen.

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Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 haben am Montagmorgen an der Baustelle am Stuttgarter Hauptbahnhof eine zweitägige Sitzblockade begonnen. Die Polizei sprach von etwa 250 Aktivisten, registrierte aber zunächst keine Zwischenfälle. Die Lage sei relativ entspannt, sagte eine Polizeisprecherin auf dapd-Anfrage. Der Verkehr sei nicht beeinträchtigt gewesen. Daher habe die Polizei vorerst nicht eingegriffen. Grund für den Sitzstreik war laut Organisatoren, dass die Bahn ihren eigenen Baustopp nicht einhalte und an vielen Baustellen weiterarbeite.

Der Sprecher des Bahnprojekts, Wolfgang Dietrich, verurteilte die Protestaktion. „Wir sind empört über diese Blockaden“, sagte Dietrich. Die Projektgegner honorierten nicht, dass sich die Bahn strikt an die getroffenen Abmachungen zum Baustopp halte. Wie in der Schlichtung vereinbart, seien keine neuen Baumaßnahmen begonnen worden, sondern lediglich bereits laufende fortgeführt worden.

Bei Stuttgart 21 soll der Hauptbahnhof der Landeshauptstadt von einer Kopf- in eine unterirdische Durchgangsstation umgebaut werden. Gegen das Projekt gibt es seit Monaten Proteste. Obwohl diese nach der Schlichtung Ende November 2010 abgenommen hatten, waren am Sonnabend wieder mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. Die Aktion war allerdings wegen schlechten Wetters vorzeitig abgebrochen worden. (dpa/dapd/abendblatt.de)