Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz als Ratgeber für Revolutionen. Als Vorbild dient die DDR.

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz ist Ägypten das große Thema. Die USA und Europa erklärten jetzt, sie nähmen Abstand von einer schnellen Ablösung des ägyptischen Machthabers Husni Mubarak. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel bringt ihre Revolutionserfahrungen aus der DDR mit ins Spiel.

US-Außenministerin Hillary Clinton und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnten am Sonnabend bei der Münchener Sicherheitskonferenz vor einem überstürzten Vorgehen. Die Vorbereitung einer Wahl und die Entwicklung neuer Strukturen brauche Zeit, sagte Merkel und verwies dabei auf die Erfahrungen mit dem politischen Umbruch zum Ende der DDR. Sie könne gut nachvollziehen, dass die Menschen in Ägypten nun den raschen Umbruch wollen. „Wir haben damals keinen Tag warten wollen, man wollte die D-Mark sofort haben“, erinnert sie sich.

Sinnvoll sei es aber, den Übergang gut vorzubereiten. „Wandel muss gestaltet werden.“ Am Ende sei auch sie froh gewesen, dass die deutsche Einheit vor dem offiziellen Vollzug „gut vorbereitet“ worden sei. Zwar sei die Situation nicht vergleichbar, aber dennoch könne sie nur sagen: „Die ganz schnelle Wahl als Beginn eines Demokratisierungsprozesses halte ich für falsch.“

Der aus sehr persönlichen Überlegungen entstandene Rückschluss der Kanzlerin deckt sich mit den Überlegungen der US-Diplomatie. Clinton etwa sagt, der Übergang zur Demokratie werde „nur funktionieren, wenn er gut geplant ist, alle mit einschließt und transparent ist“. Auch würden Wahlen alleine für einen dauerhaften Wandel nicht ausreichen.

Doch Clinton wie auch anderen Teilnehmern der Sicherheitskonferenz ist anzumerken, dass sie sich bewusst sind, dass sie nur unverbindlich Ratschläge geben können und die Frage, wie es in Ägypten weiter geht, alleine in den Händen der Ägypter liegt. „Es ist jetzt an den Ägyptern selbst. Wir können unterstützende Angebote machen, letztendlich stehen wir außerhalb dieses Prozesses und schauen darauf“, sagte Clinton.

Nachdem der Westen lange unter dem Verdacht stand, den in Ägypten inzwischen verhassten Husni Mubarak zu stützen, steckt in diesen Aussagen auch die Einsicht, politische Prozesse nicht von außen steuern zu können. Merkel spricht offen an, dass die Diplomatie in der Vergangenheit womöglich Defizite hatte. Bei der Zusammenarbeit auch mit autoritären Regierungen dürften keine Kompromisse bei der Einhaltung der Menschenrechte gemacht werden. „Haben wir das immer getan?“, fragt sie rhetorisch in die Runde.

Als Konsequenz aus bisherigen Fehlern fordert Merkel eine „wertegebundene“ Außenpolitik: „Wir können bei der Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen keinen Kompromiss machen." Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon spricht von Defiziten, weil in der Vergangenheit die präventive Diplomatie „eher vernachlässigt“ worden sei.

Doch bevor sich Staaten wie die USA darüber Gedanken machen können, wie sie sich in Zukunft stärker auf die Prävention von Konflikten konzentrieren, müssen sie noch ihre die auf der Vergangenheit geerbten Probleme lösen. Eines der größten Probleme: Wohin mit Husni Mubarak?

In München vermieden es am Freitag und Sonnabend fast alle Redner, den Namen des Staatschefs nur in den Mund zu nehmen. Doch nach einem Bericht der „New York Times“ könnte Deutschland bald ganz konkret mit dem Problemfall konfrontiert werden: Demnach wird erwogen, dem 82-Jährigen vorzuschlagen, zu einer „verlängerten“ medizinischen Untersuchung nach Deutschland zu reisen, ihn also mehr oder minder elegant abzuschieben.

Auch dieses Problem beim Umgang mit Mubarak dürfte Merkel bekannt vorkommen – der langjährige DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker war nach einer Odyssee über Moskau 1994 weit seiner Heimat in Chile gestorben.