Experten bewerten Geißlers Chancen skeptisch, zumal Projektgegner weiter auf einem Baustopp als Grundlage für weitere Gespräche bestehen.

Stuttgart. Der neue Vermittler Heiner Geißler hat Befürworter und Gegner von “Stuttgart 21“ zur Ordnung gerufen. “Solange verhandelt wird, gibt es eine Friedenspflicht“, mahnte der frühere CDU-Generalsekretär am Donnerstag. Experten bewerten seine Chancen skeptisch, zumal Projektgegner weiter auf einem Bau- und Vergabestopp als Grundlage für weitere Gespräche bestehen.

Geißler versuchte, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen. Wie auch im Arbeitsrecht müsse jede Seite auf “Kampfmaßnahmen“ während der Schlichtung verzichten. Er werde sein Mandat sofort niederlegen, sollte klar werden, dass man ihn “nur pro forma“ eingesetzt habe, kündigte der 80-jährige an.

Das Aktionsbündnis gegen “Stuttgart 21“ betonte trotz dieser Aufforderung am Donnerstag, dass die Proteste weitergingen. Eine Demonstration sei keine Kampfmaßnahme, sondern ein demokratisches Grundrecht. Für den Samstag (9. Oktober) ist eine Großkundgebung im Schlossgarten geplant.

Auch die “Parkschützer“ wiesen den Appell Geißlers mit Verweis auf die Grundrechte zurück. Die Demonstrationen würden so lange weitergehen, bis Bahn und Regierungen “Stuttgart 21“ aufgäben, sagte Sprecher Matthias von Herrmann. Einen Kompromiss in dem Streit hält er nicht für möglich. “Hier geht es anders als bei Tarifverhandlungen nicht um Prozente oder die Stelle hinter dem Komma. Hier geht es um Ja oder Nein.“

“Scheitert vermutlich“

Angesichts der verhärteten Fronten gibt der Berliner Protestforscher Dieter Rucht dem Schlichtungsversuch kaum eine Chance. Er sehe nur Kompromissmöglichkeiten für nachgeordnete Fragen, wie die Gestaltung der freiwerdenden Fläche oder zu sparende Kosten. Die Grundsatzfrage “Über oder unter Tage?“ lasse sich so nicht entscheiden, sagte er. “Daran scheitert es vermutlich. Ich sehe nicht, wie man am Verhandlungstisch weiter kommen könnte.“ Rucht sagte voraus, dass Geißler schon bei den Sondierungsgesprächen feststellen werde, dass Schlichtungsversuche sinnlos seien und sich deshalb zurückziehen werde. Andernfalls werde er mit einer gewissen Hoffnung in die Verhandlungen gehen, die dann am Ende aber doch platzen.

Auch der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger hält Geißlers Spielraum für gering. “Heiner Geißler kann nicht von Stuttgart aus eine verfehlte Bahnpolitik korrigieren. Das kann allein die Bundesregierung in Berlin“, sagte Weiger.

Gönner verteidigt Baumfällarbeiten

Im Landtag musste Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) bei einer mündlichen Anfrage die Baumfällarbeiten im Schlossgarten in der vergangenen Woche verteidigen. Insbesondere die Grünen zweifeln die Rechtmäßigkeit der Abholzung an, da dem Eisenbahnbundesamt kein Ausführungsplan vorgelegt worden sei. Gönner sagte, eine Zustimmung des Bundesamtes zur Baumfällung sei nicht nötig gewesen. Alle Abwägungen seien so getroffen worden, dass die Aktion rechtens gewesen sei.

Der umstrittene Polizeieinsatz im Schlossgarten vergangene Woche beschäftigte auch am Donnerstag die politischen Gremien. Am Vormittag hatten Parlamentarier die Möglichkeit, bis dahin unbekannte Aufzeichnungen der Polizei zu sichten. Am Nachmittag wollte der Stuttgarter Gemeinderat das Thema behandeln.