Kommunen lehnen das Energiekonzept der Bundesregierung ab. Umweltminister Röttgen will die Suche nach einem Endlager vorantreiben.

Hamburg. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist das neue Strategiepapier der Bundesregierung eine "Revolution" auf dem Weg zu mehr Ökostrom . Doch zahlreiche Stadtwerke sehen den Energieplan weit skeptischer. Sie prophezeien verheerende finanzielle Folgen, die ihnen aus der geplanten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken entstehen könnten. Der Kompromiss werde die städtischen Versorger mit 4,5 Milliarden Euro belasten, warnte der Vorsitzende der Stadtwerkevereinigung 8KU, Albert Filbert. Wenn die Kernkraftwerke länger liefen, sei der Wettbewerb auf dem Strommarkt "damit quasi tot", sagte er der "Berliner Zeitung". Es gebe nun so viel Erzeugungskapazität, dass die Auslastung der Kraftwerke der städtischen Unternehmen sinke.

Der Deutsche Städtetag forderte von der Bundesregierung Ausgleichszahlungen für die kommunalen Energieversorger . "Die Städte und ihre Unternehmen investieren in großem Umfang in umweltfreundliche Energieerzeugung. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke dürfen diese Investitionen nicht gefährden", sagte Städtetags-Präsidentin Petra Roth der "Passauer Neuen Presse". Ihr zufolge leiden zudem die Kommunen indirekt unter der Brennelementesteuer. "Wir rechnen mit jährlich 300 Millionen Euro weniger Gewerbesteuereinnahmen", sagte Roth. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Befürchtungen zurück. Am Rande eines Staatsbesuchs in Lettland sagte sie, die Regierung werde mit den Stadtwerken im Gespräch bleiben, um deutlich zu machen, dass es eine "faire Lastenverteilung" gebe.

+++Experte: Atomkompromiss ist veraltetes Energiekonzept+++

Nach Ansicht der Grünen-Bundestagsabgeordneten Bärbel Höhn werden längere Laufzeiten nicht für niedrige Energiepreise sorgen. "Die Strompreise werden nicht sinken, denn man festigt nur das Oligopol der Atomkonzerne", sagte Höhn dem Abendblatt. "Mehr Wettbewerb wäre für bezahlbare Preise viel besser als längere Laufzeiten." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast stellte schwarz-grüne Koalitionen grundsätzlich infrage. "Wir haben immer gesagt, dass diese Atomenergiefrage natürlich die Möglichkeiten für Schwarz-Grün verschlechtert", sagte sie im ZDF.

Auch in der Union gab es kritische Stimmen zum Energiekonzept . So verlangte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), nicht nur auf längere Laufzeiten von Atomkraftwerken und auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen. Dem Abendblatt sagte er: "Wichtiger für uns ist die Frage des Energiegesamtkonzepts und dass darin Platz für unsere heimische Braunkohle ist." Deutlicher wurde Tillichs Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP): "Die Betreiber von AKW werden begünstigt zulasten vieler Arbeitsplätze im Freistaat", sagte er der Chemnitzer "Freien Presse".

McAllister schreibt Brief an Kanzlerin Merkel

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bekräftigte seinen Willen, die Entsorgungsfrage zu lösen. Dazu habe er die Erkundung im möglichen Atommüllendlager Gorleben wiederaufnehmen lassen, sagte er in der ARD. Durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich entstehender Atommüll sei dabei "vom Volumen her nicht das Problem", sagte der Umweltminister.

Union und FDP hatten in der Nacht zu Montag entschieden, die Laufzeiten der 17 deutschen Reaktoren um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern. RWE-Vorstand Rolf Schmitz bestätigte, dass die Vereinbarung bereits um 5.23 Uhr unterzeichnet wurde. Darin werden auch Milliarden-Zahlungen der Konzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall geregelt. Die Umweltorganisation Greenpeace forderte die Veröffentlichung der Vereinbarung. Die Zukunft des Landes dürfe nicht länger in "undemokratischen Kungelrunden" entschieden werden.