Konzerne und Kritiker warten auf ein Gutachten. Das von der Regierung beauftragte Institut soll von RWE und E.on Millionen Euro erhalten haben.

Hamburg. Das Rätselraten über einen freiwilligen Zusatzbeitrag der Atomwirtschaft zur Förderung der Öko-Energie geht weiter. Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans wollte einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ über Pläne für freiwillige Investitionen der Energiekonzerne nicht bestätigen. Er sagte allerdings: „Der Begriff Beitrag ist nicht ohne Bedacht so eingeführt worden.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe nicht von einer Abgabe gesprochen. „Eine Abgabe (...), da versteht man Leistungen drunter, zu denen Personen verpflichtet werden.“

Die Regierung ließ auch eine Entscheidung über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke offen . Wenn Meiler länger am Netz bleiben, sollen Zusatzgewinne abgeschöpft werden und möglichst in Öko-Energien fließen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sollen an diesem Freitag Gutachten mit Modellen für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke erhalten. Der Vize-Regierungssprecher kündigte an, dass beide Ressorts die Ergebnisse über das Wochenende auswerten und sich beide Minister zum Beginn der nächsten Woche gegenüber den Medien äußern und die Szenarien zur Verfügung stellen.

Die Regierung sieht kein Problem darin, dass das beteiligte Energiewissenschaftliche Institut der Universität Köln (EWI) von den Stromkonzernen RWE und E.on acht Millionen Euro erhält. „Das EWI weist selber auf seiner Homepage darauf hin, dass eine Einflussnahme auf den wissenschaftlichen Betrieb oder die Beratungstätigkeit ausgeschlossen ist, und wir vertrauen auch darauf“, sagte Steegmans.

Die Abneigung gegen eine Laufzeitverlängerung über das Jahr 2021 nimmt in der Bevölkerung offensichtlich zu. Im ZDF-Politbarometer lehnen 56 Prozent der Befragten längere Laufzeiten ab. Die im Rahmen des Sparpakets der Bundesregierung beschlossene Brennelementesteuer für die Betreiber der Atomkraftwerke finden 70 Prozent richtig, 21 Prozent lehnen sie ab. Eine zusätzliche Abgabe zur Förderung erneuerbarer Energien im Falle einer Verlängerung der Laufzeiten findet sogar bei 81 Prozent Rückhalt und wird nur von 13 Prozent abgelehnt.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) beharrt auf einer Gewinnabschöpfung der Energiekonzerne. „Wir haben in Baden-Württemberg immer gesagt, dass 50 Prozent der Erträge in die Erforschung und die Nutzung von erneuerbaren Energien fließen müssen“, sagte Mappus beim Merkel-Besuch im Wasserkraftwerk in Rheinfelden. Der Ausbau der Ökoenergien gehe sonst auf Kosten des Verbrauchers. „Zweistellige Milliardenbeträge können nicht immer nur beim Steuerzahler und Strombezieher hängen bleiben.“

Die Bundesregierung tue gut daran, am rot-grünen Atomkompromiss festzuhalten, sagte DGB-Chef Michael Sommer dem Hamburger Abendblatt. Würden die Atomkraftwerke länger am Netz bleiben, bremste dies Innovationen in der Energiebranche. Statt auf Atomenergie müsse man verstärkt auf Kohle setzen, forderte Sommer. "Um Deutschland in ein Zeitalter der regenerativen Energieversorgung zu führen, macht die Kohle als Brückentechnologie viel mehr Sinn als die Kernkraft. Die Atomenergie führt uns klima- und industriepolitisch ins Abseits."

Sommer ist überzeugt, dass die Energiebranche in jedem Fall belastet werde. "Die Brennelementesteuer wird kommen, und zwar unabhängig von der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke", sagte Sommer. Das höre er jedenfalls aus der Regierung. Er zeigte Verständnis dafür, dass die Energieversorger sich gegen eine Steuer sperrten. "Es ist legitim, dass die Energiekonzerne ihre Interessen artikulieren", sagte Sommer. "Es wäre aber nicht gut, wenn sie sich damit durchsetzen."

Mehreinnahmen aus längeren Laufzeiten sollten nach Auffassung von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) in den Ausbau des Stromnetzes fließen. Schon jetzt könne in Schleswig-Holstein der mit Windkraft gewonnene Strom nicht immer ins überlastete Netz eingespeist werden, sagte de Jager vor der Fachmesse „Husum WindEnergie“.