Noch heute will sich Christian Wulff öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Laut ARD will er trotz zunehmender Kritik Bundespräsident bleiben.

Hamburg/Berlin. Sein Rückhalt schwindet, der Druck wird immer größer: Nach Informationen der ARD hält Christian Wulff jedoch ungeachtet scharfer öffentlicher Kritik an seinem Amt als Bundespräsident fest. Noch heute will sich das Staatsoberhaupt in einem gemeinsamen Fernsehinterview von ARD und ZDF über die Vorwürfe gegen ihn äußern. Der genaue Zeitpunkt des Interviews ist noch nicht bekannt, das ZDF kündigte jedoch über den Kurznachrichtendienst Twitter eine Ausstrahlung für den Abend an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet vom Staatsoberhaupt weitere Erklärungen und hofft, dass Wulff alle anstehenden Fragen umfassend beantwortet. Merkel hat sich immer wieder lobend über die politische Arbeit von Wulff geäußert – auch nach Beginn der Affäre um dessen umstrittenen Kredit . Merkel schätze die Arbeit des Präsidenten – daran habe sich nichts geänder, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Streiter verneinte die Frage, ob Merkel den Bundespräsidenten zu einer Stellungnahmen aufgefordert habe.

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Wie die ARD unter Berufung auf die Umgebung des Staatsoberhauptes berichtete, hat sich Wulff entschieden, an seinem Amt als Bundespräsident festzuhalten. Begleitet von einem verheerenden Medienecho war der Präsident am Morgen aus dem Weihnachtsurlaub in seinen Amtssitz in Berlin zurückgekehrt. Nach der Affäre um seinen Hauskredit steht er nun massiv in der Kritik, weil er versucht hatte, die Berichterstattung darüber in der "Bild“-Zeitung zu verhindern. Der Bundespräsident soll am 12. Dezember persönlich mit einem Anruf bei dem "Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann versucht haben, die erste Veröffentlichung zu den Krediten zu verhindern.

Erste Rücktrittsforderungen werden laut

Der Fraktionschef der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, hält einen Verbleib von Bundespräsident Christian Wulff im Amt für zweifelhaft. "Wenn die Kraft seiner Worte keine Wirkung mehr entfaltet, kann er sein Staatsamt nicht mehr ausüben“, sagte Kubicki der "Passauer Neuen Presse“.

"Mit einer wirklich nachvollziehbaren öffentlichen Erklärung für seinen Versuch, Berichterstattung über den Privatkredit zu unterbinden, wird er die Situation vielleicht noch bereinigen können“, sagte Kubicki. Ansonsten müsse Wulff sich die Frage stellen, ob er sein Amt noch ausüben könne. "Herr Wulff hat nicht mehr viel Zeit für eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen. Wir reden nicht über Wochen, sondern über wenige Tage, die ihm noch bleiben“, sagte Kubicki.

Auch die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld hat sich für einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ausgesprochen und Joachim Gauck als Nachfolger vorgeschlagen. "Unser Bundespräsident ist endgültig zur Witzfigur geworden. Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kann ihn nicht mehr ernst nehmen“, sagte Lengsfeld "Handelsblatt Online“. "Jede Stunde, die er sich länger an das Amt klammert, das er nie ausfüllen konnte und das er fast irreversibel geschädigt hat, schadet der demokratischen Kultur.“ Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin betonte: "Es braucht keine neue Enthüllung, um sicher zu sein, dass Wulff gehen muss.“

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Am Vortag hatte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe gefordert, die Entschuldigung Wulffs bei dem "Bild“-Chefredakteur Diekmann nach seinem Anruf zu akzeptieren. "Diese Entschuldigung wurde angenommen. Das sollte nun auch von allen respektiert werden“, sagte er der "Süddeutschen Zeitung“ (SZ).

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte der "SZ“, der Bundespräsident müsse selbst wissen, ob er noch die nötige Autorität habe, um als Konsensfigur und Wertevermittler aufzutreten. Das Problem liege nun auch eher bei Merkel. "Sie hat eine Posten- und Machtfrage daraus gemacht, statt den Konsens zu suchen“, sagte Roth. Also müsse Merkel sich nun zu den Vorgängen äußern. Wolle Wulff die Affäre aussitzen, werde er ein "extrem schwacher Präsident“. Möglich sei dies nur, "wenn Merkel die Hand über ihn hält“.

Aus Sicht der SPD kann Wulff sein Amt ohne rückhaltlose Aufklärung nicht mehr unbefangen ausüben. "Es gilt nach wie vor: Niemand kann sich den zweiten Rücktritt eines Bundespräsidenten innerhalb von zwei Jahren wünschen“, schrieb SPD-Chef Sigmar Gabriel auf seiner Facebook-Seite. "Allerdings kann sich auch niemand einen Bundespräsidenten wünschen, der den Eindruck erweckt, er sei seinem Amt weder politisch noch stilistisch gewachsen.“

Das Ansehen des Bundespräsidenten in der Bevölkerung hat trotz der anhaltenden Kritik an seinem Verhalten in der Kreditaffäre nicht gelitten. In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für das Hamburger Magazin "Stern“ äußerten sich 63 Prozent der Befragten zufrieden mit seiner Arbeit, 30 Prozent unzufrieden. Forsa erhob die Daten allerdings vor Bekanntwerden der Interventionen des Präsidenten beim "Bild“-Chefredakteur.

Die "Bild“-Zeitung veröffentlichte am Mittwoch erneut eine Erklärung "in eigener Sache“. Darin dokumentiert die Zeitung ihre Anfrage an den Bundespräsidenten vom 11. Dezember, mit der sie Aufklärung über den umstrittenen Privatkredit der Unternehmergattin Edith Geerkens für Wulff gefordert hatte. Diese Fragen seien am 12. Dezember vom damaligen Wulff-Sprecher Olaf Glaeseker beantwortet worden. Kurz vor Redaktionsschluss seien diese Antworten jedoch wieder zurückgezogen worden. Daraufhin habe Wulff um 18.19 Uhr auf dem Handy von Chefredakteur Diekmann angerufen.

Bundespräsident von Merkels Gnaden

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth sieht Wulff mittlerweile als Bundespräsident von Merkels Gnaden. "Wenn er Bundespräsident bleibt, dann bleibt er es vor allem, weil Angela Merkel es so will“, sagte Langguth der "Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch). Die Anrufe bei den Medien nannte Langguth "töricht“. Doch seien sie "nicht schwerwiegend genug, als dass sich daraus die Notwendigkeit eines Rücktritts ergeben würde“. (dpa)