Den Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann bedauere er sehr. Er wolle besonnen, objektiv und mit Distanz agieren, erklärte Wulff. RTL-Moderator Kloeppel und der Deutsche Journalisten-Verband üben Kritik an der Vorgehensweise des Bundespräsidenten.

Berlin. Bundespräsident Christian Wulff will ungeachtet des anhaltenden Drucks in der Kredit- und Medienaffäre nicht zurücktreten. „Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr“, sagte Wulff am Mittwochabend in einem Interview bei ARD und ZDF. Er übe sein Amt mit Freude aus und wisse, dass er nichts Unrechtes getan habe. Wulff räumte ein, der Drohanruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann sei „ein schwerer Fehler“ gewesen, der ihm leid tue, für den er sich auch entschuldigt habe. Diese Entschuldigung sei ja auch angenommen worden. Er halte Anrufe mit dem Ziel, Einfluss auf kritische Berichterstattung zu nehmen, mit seinem Verständnis von Amtsführung eines Bundespräsidenten nicht vereinbar. „Denn ich will natürlich besonnen, objektiv, neutral, mit Distanz als Bundespräsident agieren.“

Wulff betonte, er habe nicht versucht, die Berichterstattung der „Bild“-Zeitung zu verhindern, sondern lediglich darum gebeten, die Veröffentlichung zu verschieben, bis er von seinem Besuch in der Golfregion zurückgekehrt sei. Er habe darum gebeten, in der Berichterstattung auch zu erwähnen, dass er selbst den Kreditvertrag und viele Details wie den Namen der Kreditgeberin offenbart habe. Zugleich betonte Wulff, er wolle nicht Präsident in einem Land sein, in dem man sich kein Geld von Freunden leihen könne.

Erneut verteidigte er sein Vorgehen mit seinem Anliegen, seine Familie zu schützen. Das gelte auch vor dem Hintergrund dessen, „was im Internet alles verbreitet wird über meine Frau“. Wulff sprach dabei von Fantasien.

Auf den Vorwurf, er informiere die Öffentlichkeit nur per Salami-Taktik, erwiderte Wulff, die etwa 400 Anfragen von Journalisten seien von seinem Anwälten umfassend, nach bestem Wissen und Gewissen, beantwortet worden. Da die Anfragen scheibchenweise hereingekommen seien, könnten diese nur scheibchenweise beantwortet werden. Am morgigen Donnerstag sollen alle Details im Internet veröffentlicht werden, kündigte Wulff an.

In seinen Urlauben bei befreundeten Unternehmern könne er ausdrücklich keinen Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz erkennen. Die Landesregierung in Hannover werde sich dazu äußern. Jedem sei freigestellt, den niedersächsischen Staatsgerichtshof anzurufen. Es handele sich bei den Personen auch um Freunde aus Schulzeiten, die er seit seinem 14. Lebensjahr kenne. Er sehe in diesem Punkt kein Unrecht.

Wenn alle Politiker ab sofort bei keinen Freunden mehr übernachten dürften oder eine Rechnung für Nächte im Gästezimmer ausstellen müssten, dann würde sich die Republik nicht zum Guten verändern, sagte Wulff.

ARD und ZDF strahlen das gesamte Gespräch mit Bettina Schausten und Ulrich Deppendorf um 20.15 Uhr aus. Zum Termin der Aufzeichnung waren nach Informationen von abendblatt.de keine Journalisten als Beobachter zugelassen und auch keine Fotografen. Das ist sonst üblich, wenn es beispielsweise um die Kandidaten-Duelle vor einer Bundestagswahl geht. Ob die beiden erfahrenen Journalisten Schausten und Deppendorf alle Fragen stellen können, die sie wollen, ist unbekannt. Dass Wulff sich keiner Pressekonferenz stellt, wird viele kritische Beobachter enttäuschen.

Auch Deutschlands meistgesehener Fernsehsender RTL ist darüber ungehalten. RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel kritisierte, dass der Bundespräsident nur zu den Öffentlich-Rechtlichen ging. „Ich bin erstaunt über die Informationspolitik des Bundespräsidenten. Auch im Sinne unserer vielen Zuschauer bedauere ich es sehr, dass RTL – anders als ARD und ZDF – keine Möglichkeit zu einem eigenen Interview oder zumindest einer Teilnahme an dem Interview eingeräumt wird. Mit dieser bewussten Beschränkung auf die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender schließt der Bundespräsident Millionen Menschen in unserem Land, deren Hauptinformationsquelle RTL Aktuell ist, schlichtweg aus.“ Der mehrfach preisgekrönte RTL-Anchorman Kloeppel zählte auch zu den Fragern im Kandidatenduell bei der letzten Bundestagswahl.

Mit Verwunderung reagiert der Deutsche Journalisten-Verband über die Vorgehensweise Wulffs. Immerhin sei das Interview ein Schritt in die richtige Richtung, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. „Kritikwürdig“ nannte es Konken aber, dass sich Wulff nur den Fragen von ARD und ZDF stellen wolle. „Von der Einflussnahme Wulffs auf die Berichterstattung war nach jetzigem Kenntnisstand ausschließlich die Tagespresse betroffen“, sagte Konken. „Der Präsident sollte sich den Fragen aller Journalistinnen und Journalisten der Hauptstadtmedien stellen.“ Nur so könne er glaubhaft die Diskrepanz zwischen seinen öffentlichen Bekenntnissen zur Pressefreiheit und seiner versuchten Einflussnahme gegen unliebsame Berichterstattung aufklären.


Internet-Nutzer rechnen schonungslos mit Wulff ab

Wulff hatte sich vor allem mit seiner Medienstrategie in den Instrumenten vergriffen. Er hatte unter anderem bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann versucht, eine ihm unliebsame Geschichte zu verhindern. Dazu hatte Wulff selbst eine Nachricht auf Diekmanns Mailbox hinterlassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stärkte Wulff den Rücken. Die Kanzlerin habe „volles Vertrauen darin, dass der Bundespräsident auch weiterhin alle anstehenden Fragen umfassend beantworten wird“, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Bereits jetzt habe Wulff viele Fragen beantwortet. Streiter geht nach eigenen Worten davon aus, dass Merkel mit Wulff in Kontakt wegen seines Anrufs bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann gestanden habe. Er wisse dies aber nicht. Zu einer Erklärung habe die Kanzlerin das Staatsoberhaupt nicht aufgefordert. (ryb/dpa/dapd/rtr)