Bundespräsident Christian Wulff hat neue Probleme: Per Telefonanruf und mit harschen Worten wollte Wulff einen kritischen “Bild“-Bericht verhindern.

Berlin. Jetzt schweigt Christian Wulff zu dem Moment, an dem er wohl auch besser hätte schweigen sollen. Es war der 12. Dezember und der Bundespräsident war auf Auslandsreise in Kuwait, als er zu seinem Telefon griff und die Nummer von Kai Diekmann wählte, dem Chefredakteur der "Bild"-Zeitung. Er hinterließ eine längere Nachricht auf der Handy-Mobilbox, denn auch Diekmann war auf Dienstreise und konnte nicht ans Telefon gehen.

Noch ist der genaue Wortlaut von Wulffs Nachricht nicht bekannt. Klar ist aber - und das hat gestern auch die "Bild"-Zeitung bestätigt -, dass Wulff offen gedroht hat: Sollte das Blatt den kritischen Artikel über seinen 500.000-Euro-Privatkredit beim Unternehmerehepaar Geerkens abdrucken, werde dies strafrechtliche Konsequenzen für den zuständigen Redakteur haben. Wie die "Süddeutsche Zeitung" darüber hinaus berichtet, habe der Bundespräsident zudem vor einem "endgültigen Bruch" mit dem Verlag Axel Springer ("Bild", "Welt", Hamburger Abendblatt) gewarnt, sollte die "unglaubliche" Geschichte tatsächlich erscheinen. Für ihn und seine Frau sei "der Rubikon überschritten", habe sich Wulff sehr nachdrücklich empört. Sogar von "Krieg führen" soll die Rede gewesen sein. Auch beim Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, rief das Staatsoberhaupt an diesem Tag an, um die erstmalige Berichterstattung über den Privatkredit zu verhindern.

Bekanntermaßen ist diese Intervention erfolglos geblieben. Der wenig präsidiale Wutausbruch des Präsidenten verpuffte. Der Bericht über das zweifelhafte Darlehen erschien am 13. Dezember und markierte den Beginn einer ganzen Serie immer neuer Details, die Zweifel an der moralischen Integrität Wulffs aufkommen ließen. Nach seiner öffentlichen Erklärung am 22. Dezember im Schloss Bellevue, bei der Wulff noch dargelegt hatte, er finde es richtig, "dass die Presse- und Informationsfreiheit ein hohes Gut ist in unserer freiheitlichen Gesellschaft", stellt sich jetzt jedoch die Frage, wie ernst der Bundespräsident die Pressefreiheit tatsächlich nimmt.

Der Skandal um Wulff erreicht damit eine neue Dimension. Nach dem umstrittenen Privatkredit, Halbwahrheiten vor dem Niedersächsischen Landtag, Urlaubseinladungen von vermögenden Unternehmerfreunden und den noch immer ungeklärten Bedingungen, zu denen Wulff den Anschlusskredit für sein Einfamilienhaus in Burgwedel bei der Stuttgarter BW Bank erhalten hat, gibt es neue Fragezeichen.

Christian Wulff jedenfalls muss nach seinem Anruf bei Diekmann schnell eingesehen haben, dass er damit den Bogen überspannt haben könnte. Wie die "Bild"-Zeitung in ihrer Mitteilung zum Fall schreibt, habe der Bundespräsident zwei Tage nach der Veröffentlichung der Enthüllungen über seinen Hauskredit erneut den Kontakt zum Chefredakteur gesucht und ihn in einem Telefonat "persönlich um Entschuldigung für Ton und Inhalt seiner Äußerungen auf der Handy-Mailbox" gebeten. Deshalb habe das Blatt "nach breiter redaktioneller Debatte davon abgesehen, eigens über den Vorfall zu berichten".

Beobachter schütteln dennoch den Kopf über Wulffs spontanen Wutausbruch. Immerhin: Der Bundespräsident muss seit Monaten gewusst haben, dass mehrere Medien wegen seines Darlehens recherchierten. Etwa der "Spiegel" hat nach eigenen Angaben bereits im August über den Bundesgerichtshof erwirkt, Einsicht in das Grundbuch beim Amtsgericht Burgwedel zu nehmen, um die Finanzierungsmodalitäten von Wulffs Einfamilienhaus zu überprüfen - auch andere Medien hatten danach Zugriff auf die Akte.

Ob Wulff sich noch einmal öffentlich erklären wird, ist unklar. Gestern jedenfalls entschied er sich fürs Schweigen - nur seine Mitarbeiter im Bundespräsidialamt veröffentlichten eine magere Mitteilung: "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut." Und auch: "Über Vieraugengespräche und Telefonate gibt der Bundespräsident grundsätzlich keine Auskunft." Ein Statement also, das stark an die Kommunikationsstrategie erinnert, die vor allem die Opposition seit Tagen kritisiert. "Es ist misslich, dass alle Details nur stückchenweise von ihm kommen", hatte etwa SPD-Vizechefin Aydan Özoguz am Wochenende im Abendblatt bemängelt. Wulff hatte erst tagelang geschwiegen, gab aber angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks nur nach und nach Informationen preis, die zum Großteil jedoch ohnehin schon bekannt waren. Zwei Tage vor Heiligabend entließ er schließlich seinen Sprecher und langjährigen Vertrauten Olaf Glaeseker und trat reuig vor die Hauptstadtpresse. Der Bundespräsident bedauerte dabei die "irritierende" Wirkung seiner Hausfinanzierung, beteuerte aber, immer rechtens gehandelt zu haben.

In Berlin, wo man seit Beginn der Affäre vorsichtig mit dem Thema umgeht, halten sich die Regierungsparteien nun erneut demonstrativ und auch die Opposition weitestgehend zurück. Für die SPD trat Fraktionsvize Hubertus Heil gestern Nachmittag im Bundestag vor die Kameras und verlangte, Wulff müsse schnellstmöglich Klarheit schaffen. "Die Salamitaktik von Herrn Wulff im Umgang mit dieser Situation muss endlich ein Ende haben."