WORTLAUTAUSZÜGE Was die Kontrahenten zu wahlentscheidenden Themen sagten. Hamburg

Das zweite TV-Duell zwischen einem Bundeskanzler und seinem Herausforderer begann mit der Frage, wie die Kandidaten ihre Leistung aus dem ersten Gespräch einschätzen. Darauf antworteten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (CSU): Stoiber: "Ach, es ist immer schwierig, sich selbst oder eine Veranstaltung zu beurteilen, bei der man auch Darsteller gewesen ist." Schröder: "Sie werden sich wundern, ich habe es mir nicht nachher noch einmal angesehen. Als Punktrichter in eigener Sache bin ich auch wirklich ungeeignet." ARBEITSLOSIGKEIT Schröder: "Keine Frage. Wenn die Bedingungen, die damals galten, und zwar eine wirklich boomende Weltwirtschaft, keine Verwerfungen wie nach dem 11. September, weitergegolten hätten, dann hätten wir dieses Ziel (Rückgang auf 3,5 Millionen Arbeitslose, d.Red.) auch erreicht. Diese Arbeitslosenziffern, die wir gegenwärtig haben, haben wir unter schwierigsten weltweiten Bedingungen, und sie sind geringer als die Regierung Kohl sie hatte bei einer boomenden amerikanischen Wirtschaft, bei einer boomenden Weltwirtschaft." Stoiber: "Der Klarheit will ich nur deutlich machen. Sie haben damals, als Helmut Kohl abgewählt worden ist, mit einer Arbeitslosenzahl von 4,1 Millionen, da haben Sie mehrfach gesagt, ein Bundeskanzler, der über vier Millionen Arbeitslosigkeit zu verantworten hat, der hat es nicht verdient, wiedergewählt zu werden." GROSSE KOALITION Schröder: "Diese Frage ist rein theoretisch. Sie stellt sich nicht. Ich kämpfe für die Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Ich habe gesagt, mit Ausnahme der PDS, die eine Partei ist, die in der Republik nicht angekommen ist, innenpolitisch nicht, außenpolitisch nicht, müssen die im Bundestag vertretenen Parteien prinzipiell für einander koalitionsfähig sein." Stoiber: "Nein, denn eine große Koalition ist Stillstand. Und sie ist auch sicherlich ein Notfall für eine Demokratie. Wir brauchen im Parlament ein (System von) Checks and Ballences, und eine große Koalition bedeutet für mich auch gesellschaftspolitisch, es verlagert sich der Widerstand mit Sicherheit außerhalb des Parlaments heraus auf die Straße. Wir haben das 1966 bis 1969 ja auch erlebt." IRAK/DEUTSCHLAND/AMERIKA Schröder: "Es geht schlicht darum, dass in einer bestimmten Frage, die durchaus existenzieller Natur ist, nämlich die Frage von Krieg und Frieden, es ganz offenkundig Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gibt, zwischen mir und möglicherweise dem amerikanischen Präsidenten, der sich ja erst in der nächsten Woche wirklich festlegen will, aber es sieht so aus, als ob das so wäre. Das ist nun überhaupt keine Gefährdung von Freundschaft." Stoiber: "Es darf und wird mit uns keine Unterstützung eines Alleinganges geben, auch nicht eines Alleinganges der Amerikaner. Aber, Herr Bundeskanzler, der Ton macht die Musik. Ihre Vorgänger, ob das Willy Brandt oder ob das Helmut Schmidt oder ob das Helmut Kohl gewesen wären, die hätten längst zum Telefonhörer gegriffen und hätten mit Bush gesprochen, um unsere Position mit ihm darzulegen, aber nicht auf dem offenen Markt auszutragen." ERFOLGSZIELE Schröder: "Ich denke, dass wir in den letzten vier Jahren bewiesen haben mit dem Reformprozess, den wir eingeleitet und erfolgreich durchgesetzt haben, dass wir Vertrauen verdienen. Wir haben eine vernünftige Steuerreform gemacht. Wir haben das Rentensystem auf ein vernünftiges Fundament gestellt. Wir haben bei Themen wie Zuwanderung uns Begrenzungsmöglichkeiten, Steuerungsmöglichkeiten verschafft. Wir haben ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht gemacht. Wir haben allein fast 20 Milliarden Euro mehr für Familien ausgegeben in den vier Jahren. Das denke ich, das schafft Vertrauen, und das macht uns zuversichtlich, dass die Menschen sagen werden, die sollen das weitermachen." Stoiber: "Ich habe mich immer bemüht das zu halten, was ich versprochen habe. Also als Ministerpräsident in Bayern eine gute Bildung, ein hohes Maß an innerer Sicherheit, im besonderen Maße natürlich auch Arbeitsplätze zu schaffen, die Voraussetzungen zu schaffen, das neue Arbeitsplätze entstehen, dass die Arbeitslosigkeit gemindert wird. Und ich möchte das, was ich für Bayern getan habe, die nächsten vier Jahre mit aller Leidenschaft für Deutschland tun." SICHERHEITSPOLITIK Stoiber: "Wir wissen nach allen Angaben der Taliban und der internationalen Terroristen, dass der 11. September kein Einzelfall bleiben soll. Das heißt, wir müssen immer mit Anschlägen rechnen, und wir müssen alles tun, um solche Anschläge international wie national zu unterbinden. Wir brauchen dringend endlich die Fingerabdrücke in den Pässen, in den Visa. Sie haben bisher dies nicht geschafft." Schröder: "Wir haben ja zwei Sicherheitspakete gemacht. Das zweite Problem, das angesprochen worden ist, die Frage der biometrischen Daten. Wir brauchen, wenn wir das in die Pässe bringen wollen, eine europäische Regelung, und die ist in der Tat nicht zu Stande gekommen." BILDUNG Schröder: "Zunächst einmal, wir haben den Bildungshaushalt, soweit der Bund zuständig ist - und der ist ja für die Schulen nicht zuständig - um 30 Prozent gesteigert, und das ist eine erhebliche Leistung. Das zeigt, dass wir da richtige Schwerpunkte setzen. Zweitens: Wir haben gesagt, wir sind bereit, den Ländern jährlich eine Milliarde Euro für verbesserte Ganztagsbetreuung zur Verfügung zu stellen." Stoiber: "In den Ländern, in denen die SPD die Regierungsverantwortung trägt, ist natürlich eines gewachsen: die Privatschulen. Und wir haben leider durch ihre Politik auch mitzuverantworten, dass sich das Bildungsbürgertum, die, die es sich leisten können, immer mehr ihre Kinder für teures Geld auf Privatschulen schicken, weil sie dort dann die Sicherheit haben, dass sie mit 17, 18 oder 19 eine bessere Ausbildung haben als in öffentlichen Schulen. Und da kann ich Ihnen nur sagen, wo ich die Verantwortung trage, haben wir ein exzellentes öffentliches Schulsystem." KABINETT Schröder: "Wenn Sie sich mal die Namen anschauen, die wirklich einen guten Ruf haben in der Republik, über Otto Schily haben wir geredet, wir könnten über Hans Eichel reden. Aber wir müssen auch über die Frauen im Kabinett reden. Frau Däubler ebenso wie Frau Bulmahn oder Frau Wieczorek-Zeul." Stoiber: "Ich habe nach langem Überlegen den für mich besten Mann rekrutiert, nämlich Lothar Späth. "Eine große Koalition ist Stillstand. Und sie ist sicher ein Notfall für eine Demokratie." Edmund Stoiber