GESTIK Was in Worten verborgen blieb, verrieten die Körper der Kontrahenten.

Hamburg. Lebhafter sollte das zweite Treffen werden, hatten beide Duellanten versprochen. Herausforderer Edmund Stoiber löst das optisch bereits beim Eintreffen am Ort des Geschehens ein. Mit seiner breitgestreiften rot-silbernen Krawatte bläst er farblich zum Angriff, signalisiert wesentlich mehr als vor zwei Wochen Großzügigkeit, Agilität (Rot) und Perfektion (Silber). Beim Hemdkragen vertraut er aber nach wie vor der konservativen Form. Kanzler Gerhard Schröder überrascht mit einer fast identischen Krawatte - nur seidiger glänzend und moderner gebunden, verbunden mit seinem geliebten Haifisch-Kragen. Beide wirken vor dem Gang in das TV-Studio lockerer, aktiver und kommunikativer als vor zwei Wochen. Als es ernst wird, tritt Stoiber zunächst etwas nervös von einem Bein auf das andere, steigt aber in die Debatte mit einem breiten freundlichen Lächeln und sehr ruhig ein. Das Gesicht wendet er diesmal frontaler in die Kamera als vor zwei Wochen. Schröder steht in diesem Punkt nicht nach. Stoibers Kopfnicken bei der Fragestellung signalisiert aktives Zuhören. Als es sich um Arbeitslosigkeit dreht, legt er die Stirn in Sorgenfalten und deutet damit seine direkte Anteilnahme an. Schröder blickt herüber und nimmt damit die Auseinandersetzung an. Schon bei der nächsten Frage blicken sich beide direkt in die Augen - das Duell ist damit eröffnet. Schröder arbeitet mit der rechten Hand in Richtung Stoiber. Der hat den Angriff erwartet und lässt seinen Konterpart nicht aus den Augen. Er versucht sich mit Charme gegen die Moderatorinnen durchzusetzen und das Wort zu behalten. Dann schiebt er sein Kinn in Richtung Kanzler, lässt sich nicht unterbrechen. Beide fixieren sich. Im Eifer des Gefechts um Arbeitslosenzahlen beginnt Stoiber sich dann aber zu verzetteln und spricht zu lange. Schröder rückt etwas vom Pult zurück, setzt damit zu einer neuen Argumentation an. Er dreht die Handflächen nach oben, signalisiert damit Offenheit und bittet um Verständnis für seine Ausführungen. Schröder arbeitet weiter stark mit der rechten, rationalen Hand, mit öffnenden, aber auch angreifenden Bewegungen. In der Sprachmodulation ist er aktiver als vor zwei Wochen, als seine staatsmännische Attitüde statisch wirkte. Der Herausforderer spricht Schröder ganz direkt an, wieder ruhig und konzentriert. Der Kanzler nimmt den Blick hoch und signalisiert Kampfbereitschaft. Mit breiter geöffneter Handhaltung versucht er das Problem "Irak" zumindest gestisch in den Griff zu bekommen und formuliert ausweichend. Aber auch Stoiber wirkt bei diesem Thema nicht sicher, fällt in sein bekanntes verzögertes Sprechen zurück, das er bisher vermieden hat. Emotionalität zeigt er dann beim Thema deutsch-amerikanisches Verhältnis. Schröder kontert mit zurückgelehnter, überheblicher Körperhaltung. Die zusammengepressten Lippen zeigen, dass er mit Stoibers Thesen überhaupt nicht einverstanden ist. Noch ein verächtlicher Blick als der Bayer weiter insistiert, dann zieht sich der Kanzler gelangweilt in sich zurück. Seinen Charme lässt Schröder dafür gegenüber den Moderatorinnen spielen. Lächelnd verkündet er, dass es mehr weiblicher Führungskräfte in Politik, Wirtschaft - und bei Fernsehsendern bedarf. Gelernt haben beide aus der Kritik nach dem ersten Duell. Kanzler und Herausforderer haben den direkten Blickkontakt und damit die Auseinandersetzung gesucht. Kurzzeitig kommt Bewegung in die Oberkörper, wird aus der geöffneten Hand eine geballte Faust. Beide bleiben aber überwiegend ruhig, versuchen konstant sympathisch zu wirken. Wer sich eine rhetorische Keilerei erhofft hat, muss auch dieses Mal enttäuscht sein, denn beiden ging Souveränität über Effekthascherei. Beide wirken lockerer, aktiver und kommunikativer als vor zwei Wochen. Wer sich eine rhetorische Keilerei erhofft hat, muss auch dieses Mal enttäuscht sein.