Chemie- und Biowaffen würden aber nur gegen “ausländische Aggressoren“ eingesetzt. Europa bereitet sich auf Ansturm von Flüchtlingen vor.

Beirut/Damaskus. Das Regime von Syriens Präsidenten Baschar al-Assad hat gestern erstmals offiziell bestätigt, dass es über Chemie- und Biowaffen verfügt, und für den Fall eines ausländischen Angriffs mit deren Einsatz gedroht. Gegen die eigene Bevölkerung werde das Militär aber nicht zu solchen Mitteln greifen, sagte Außenministeriumssprecher Dschihad al-Makdissi in Damaskus.

Angesichts von Anzeichen für ein Zusammenbrechen des syrischen Regimes hatte Israel zuvor gewarnt, dass die Chemie- und Biowaffen Assads in falsche Hände geraten könnten, und ein Eingreifen nicht ausgeschlossen. Ministeriumssprecher al-Makdissi erklärte, alle diese Waffentypen seien sicher gelagert und unter direkter Bewachung der syrischen Streitkräfte. "Sie werden nie benutzt, es sei denn, Syrien ist äußerer Aggression ausgesetzt."

+++ Kampf um Metropolen – EU wappnet sich für Flüchtlingswelle +++

Doch als ein Versprechen, dass Assad während des seit März 2011 tobenden Bürgerkriegs niemals zu Chemie- oder Biowaffen greifen würde, kann al-Makdissis Äußerung nicht gelten. Er betonte später, dass die Regierung es bei der aktuellen Rebellion nicht mit einem internen Feind zu tun habe. In den vergangenen Monaten hatte Damaskus immer wieder ausländische oder vom Ausland unterstützte "Terroristen" für die Unruhen verantwortlich gemacht.

Experten gehen davon aus, dass Syrien im Besitz von Nervenkampfstoffen, Senfgas sowie Scud-Raketen ist, mit denen die Chemikalien verbreitet werden können. Dazu kommen hoch entwickelte konventionelle Waffen wie Panzerabwehrraketen und tragbare Flugabwehrraketen. Aus US-Geheimdienstkreisen verlautete, dass Syrien Chemiewaffen vom Norden des Landes, wo heftige Kämpfe toben, abgezogen habe. Damit seien die Waffen gesichert, aber auch zusammengelegt worden.

+++EU verschärft Waffenembargo gegen Syrien+++

Bundesaußenminister Guido Westwelle (FDP) kritisierte die Ankündigung scharf. "Mit dem Einsatz von Chemiewaffen zu drohen ist ungeheuerlich", erklärte er. "Damit enthüllt das syrische Regime ein weiteres Mal seine menschenverachtende Denkart." Die EU erklärte, sie sei ernsthaft besorgt über den möglichen Einsatz chemischer Waffen. Die EU-Außenminister beschlossen verstärkte Sanktionen.

So haben nun alle EU-Länder die Pflicht, Frachtflugzeuge und verdächtige Schiffe in ihren Hoheitsgewässern zu kontrollieren. Allerdings nicht mit Waffengewalt und nur, wenn der Flaggenstaat einverstanden ist. Das Waffenembargo ist bereits seit Mai 2011 in Kraft. Bislang waren die Mitgliedstaaten aber nicht verpflichtet, Schiffe aufzubringen. Die Außenminister setzten zudem 26 weitere Mitglieder der Streitkräfte und Geheimdienste sowie drei weitere Unternehmen auf ihre Liste. Damit verbunden sind Einreiseverbote und Kontensperrungen bei Banken in der EU.

+++Kämpfe um Damaskus und Aleppo: EU befürchtet Flüchtlingswelle+++

Die heftigen Kämpfe zwischen den Assad-Truppen und den Aufständischen in den Metropolen Damaskus und Aleppo treiben derweil immer mehr Syrer außer Landes. Die irakische Regierung ordnete die Öffnung der Landesgrenzen für syrische Flüchtlinge an. Europa bereitet sich auf einen Flüchtlingsansturm vor. Für die 200 000 westlichen Ausländer in der Region gebe es einen Rettungsplan, hieß es beim Treffen der EU-Innenminister in Zypern. Wenn die Flüchtlinge in den Nachbarländern nicht ausreichend Hilfe fänden, würden sie Richtung Europa weiterziehen, sagte die zyprische Innenministerin Eleni Mavrou. Die EU müsse nun schnell handeln. Brüssel stockte seine Syrienhilfe um weitere 20 Millionen Euro auf.

Ein Angebot der Arabischen Liga, Assad nach einem Rücktritt eine sichere Ausreise mit seiner Familie zu gewährleisten, lehnte der syrische Staatschef ab. Das von den Außenministern der arabischen Staaten unterbreitete Angebot eines "sicheren Hafens" für Assad und seine Familie bezeichnete al-Makdissi als einen "unverschämten Einmischungsversuch". Die Arabische Liga sagte zudem 100 Millionen Dollar (82 Millionen Euro) Finanzhilfe für syrische Flüchtlinge zu.