Nach langem Streit haben sich die Parteien in Griechenland darauf geeinigt, wer das Land aus der Krise führen soll: Lukas Papademos.

Athen. Das tagelange Tauziehen um die Nominierung eines neuen Regierungschefs im hoch verschuldeten Griechenland ist zu Ende. Der Finanzexperte Lukas Papademos soll als Ministerpräsident einer Übergangsregierung einen drohenden Staatsbankrott abwenden und das Land aus der Krise führen. Der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) erhielt von Staatspräsident Karolos Papoulias am Donnerstag den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung. „Der Kurs wird nicht leicht sein“, erklärte Papademos anschließend im griechischen Fernsehen.

An diesem Freitag solle die neue Regierung in Athen vereidigt werden, kündigte das Präsidialamt an. Papademos sprach von einer Übergangsregierung, die von den bisher regierenden Sozialisten (PASOK), den Konservativen (ND) und den Ultrakonservativen (LAOS) unterstützt werde. Die drei Parteien verfügen über eine deutliche Mehrheit von 254 Abgeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament. Da die Mehrheit offensichtlich ist, kann Papademos ohne ausdrückliche Zustimmung des Parlaments als Regierungschef vereidigt werden. Allerdings muss er dort nach der Verfassung innerhalb von zwei Wochen die Vertrauensfrage stellen.

+++Thema: Die griechischen Seiten des Lebens+++

Der Auftrag zur Regierungsbildung beendete ein fast fünftägiges Tauziehen um die Nominierung des neuen Ministerpräsidenten. „Es ist für mich eine große Ehre und eine noch größere Verantwortung“, sagte Papademos. Er sei überzeugt, dass die wirtschaftlichen Probleme zu lösen seien. Die wichtigste Aufgabe der neuen Regierung werde es sein, die Spar- und Reformvorhaben umzusetzen, die Ende Oktober auf dem Gipfeltreffen der Euro-Zone vereinbart worden seien, und das internationale Hilfsprogramm für Griechenland unter Dach und Fach zu bringen.

Papademos rief zu „Einheit, Verständigung und Vernunft“ auf. Der Appell richtete sich an die Bevölkerung, an die Parteien und auch an die Gewerkschaften, die mit Streiks immer wieder das Land lahmgelegt hatten.

Der bisherige sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou hatte am Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt und damit den Weg zur Bildung einer Regierung von Sozialisten und Konservativen freigemacht. Am Donnerstag einigte er sich mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras und dem Ultrakonservativen Giorgos Karatzaferis darauf, dem Staatspräsidenten den früheren EZB-Vize als neuen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Papandreou bezeichnete den Zusammenschluss als ein „historisches Übereinkommen“ und den „Beginn einer neuen Ära“ in Griechenland. Die Führer der kleineren Linksparteien boykottierten das Treffen im Amtssitz des Präsidenten.

Wie lange Papademos im Amt bleiben wird, wurde am Donnerstag nicht ausdrücklich festgelegt. Im offiziellen Kommuniqué des Staatspräsidenten wurde kein Datum für Neuwahlen genannt. Die Parteichefs Papandreou und Samaras hatten zuvor Neuwahlen am 19. Februar 2012 ins Auge gefasst.

Porträt: Lukas Papademos, der introvertierte Pragmatiker

Mit der Wahl von Lukas Papademos zum griechischen Ministerpräsidenten lastet das harte Reformprogramm auf breiten Schultern – genau wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das wünscht. „Wir wollen vor allem, dass auch die sehr, sehr harten Reformbemühungen für ein besseres, effizienteres und konsolidierteres Griechenland auf möglichst breiten politischen Schultern stehen“, sagte Merkel am Donnerstag.

Der 64-jährige ehemalige Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ist das wirtschaftspolitische Schwergewicht, das Griechenlands Partner jetzt brauchen. Heute gilt Papademos als fest mit dem Euro verbunden. Experten wie der Chef des Münchner Wirtschaftsinstituts ifo, Hans-Werner Sinn, bescheinigen ihm großes wirtschaftspolitisches Verständnis. Bis Mitte vergangenen Jahres war Papademos in Frankfurt am Main. Anschließend lehrte er als Professor in Amerika. Seine Wahl zum Premierminister einer Athener Übergangsregierung ist Ausdruck des Willens der Griechen, den Euro zu behalten – trotz aller Kritik.

Manchen Beobachtern könnte seine Wahl auch Sorgen bereiten: Ausgerechnet er war es, der die Griechen vor zehn Jahren in den Euro führte. Zu dieser Zeit stand Papademos an der Spitze der griechischen Zentralbank. Es ist aber schwer zu sagen, ob er in dieser Funktion von den gefälschten Zahlen wusste, durch die Griechenlands Beitritt zum Euro überhaupt erst möglich wurde.

Papademos, der als Pragmatiker gilt, tat außerdem hinter den Kulissen des Eurotowers sein Möglichstes, um ein Auseinanderbrechen der 17 Euro-Länder zu verhindern. Unter anderem verantwortete er die Anleihen-Ankäufe von Euro-Ländern in Schwierigkeiten. Er half auch den 6.000 bei der EZB registrierten Banken, ihre faulen Kredite als Sicherheiten zu verwenden.

„Wir sind Lukas sehr dankbar“, sagte der ehemalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet zu Papademos' Abschied 2010. „Als die Banken ins Rutschen kamen, war Lukas einer der wichtigsten Gestalter ihrer Stabilisierungshilfen.“ Papademos hat in seiner Frankfurter Zeit international viele Freunde gewonnen. Merkel und alle anderen, die Griechenland mit Milliarden unterstützen wollen, können auf ihn zählen. Er könnte das vom bisherigen Premier Giorgios Papandreou verspielte Vertrauen wiederherstellen. Sein größter Vorteil: Der Parteilose tritt einen Job an, den er nie wollte.

Denker mit Schwächen

Kein Politiker zu sein ist jedoch auch ein Nachteil, denn der introvertierte Denker hat eine Schwäche: Der große Auftritt ist einfach nicht sein Ding. Lieber doziert er vor einem kleinen Kreis von Zuhörern und verliert sich in Wirtschaftstheorien. Das wird es ihm erschweren, das Volk mitzunehmen.

Als Stellvertreter saß Papademos bei den monatlichen Pressekonferenzen regelmäßig an der Seite Trichets, der seinerseits am vergangenen Dienstag die Präsidentschaft an den Italiener Mario Draghi übergeben hatte. Vor der in Frankfurt versammelten Presse kam Papademos kaum mal ein Wort über die Lippen. Er nahm lieber Journalisten, die ihm bekannt waren, bei anderen Gelegenheiten zur Seite. Auch dann achtete er auf jedes Wort.

Papademos müsste den Griechen nur mehr von seiner gutmütigen und freundlichen Art zeigen, die ihm in EZB-Kreisen den Spitznamen „Papa“ eingebracht hatte. Doch dafür müsste er sich öffnen.

Mit Material von dpa/dapd