Ehemaliger Zentralbanker Papademos wird am Abend in Athen erwartet - Merkel appelliert an Übergangsregierung - Aktienmärkte trotz Einigung schwach

Athen. In Griechenland verdichten sich die Anzeichen, dass der ehemalige EZB-Vizepräsident Lucas Papademos mit der Bildung einer Übergangsregierung betraut wird. Papademos wurde am Montagabend in Athen erwartet, wie ein Berater des früheren Zentralbankers der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Eine Koalition der nationalen Einheit soll die Alleinregierung der Sozialisten unter dem scheidenden Regierungschef Giorgos Papandreou ablösen. Papademos müsste eine breite politische Mehrheit zur Umsetzung der EU-Sparbeschlüsse organisieren, mit der ein Bankrott des Landes und ein Überschwappen der Krise auf Italien und Spanien verhindert werden soll. Die Euro-Partner forderten, dass sich auch die bisherige Opposition klar zu den Sparplänen bekennt.

Papandreou und der konservative Oppositionschef Antonis Samaras hatten sich am Sonntagabend auf eine Übergangsregierung und Neuwahlen am 19. Februar 2012 verständigt. Aus Parteikreisen verlautete zu Wochenbeginn, dass die Oppositionspartei Neue Demokratie am sozialistischen Finanzminister Evangelos Venizelos auch in der neuen Übergangsregierung festhalten wolle. Venizelos und seine Mitarbeiter sollten für Kontinuität in der Einheitsregierung sorgen. An den Finanzmärkten ging es dennoch bergab: Dort wird befürchtet, dass die politischen Spannungen trotz einer neuen Regierung in den kommenden Monaten anhalten.

Papademos werde schon am Dienstag die Nachfolge Papandreous antreten, berichtete die griechische Tageszeitung „Ta Nea“ am Montag. Auch in der Tageszeitung „Ethnos“ hieß es, „alle Quellen“ deuteten auf Papademos hin. Der im In- und Ausland hoch angesehene Ökonom war von 1994 und 2002 Chef der griechischen Zentralbank. Dabei gelang es ihm, die vergleichsweise hohe Inflation in Griechenland in den Griff zu bekommen. 2002 wurde er Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB), aus dem er Ende 2010 turnusgemäß ausschied.

Die neue Koalition muss vom Parlament grünes Licht für das jüngste Hilfspaket Europas und die damit verbundenen strikten Sparauflagen erhalten, bevor sie Neuwahlen ansetzt. Eine Einigung der großen Parteien auf den vorübergehenden neuen Regierungschef wurde noch für Montag erwartet.

Die Euro-Partner hielten den Druck auf Griechenland Aufrecht, eine überzeugende Lösung zur Beilegung des innenpolitischen Patts vorzulegen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte Regierung und Opposition zu einer verbindlichen Zusage auf, das vereinbarte Spar- und Reformprogramm umzusetzen. Als Bedingung zur Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem Rettungspaket für das Land müsse Griechenland sicherstellen, dass das Programm auch umgesetzt werden könne, sagte Schäuble am Montag vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel.“

Österreichs Finanzministerin Maria Fekter drohte sogar, Griechenland den Geldhahn zuzudrehen. Ohne eine Verpflichtung aller Parteien in Griechenland zum Spar- und Reformprogramm solle der überschuldete Euro-Staat keine weiteren Kredite aus dem Rettungspaket mehr bekommen, sagte Fekter. Die Euro-Partner wollten fordern, dass sich neben der Regierung auch alle Oppositionsparteien zum Reformkurs bekennen. Die vereinbarten Reformen müssten außerdem sofort und nicht erst nach den im Februar geplanten Neuwahlen umgesetzt werden. Griechenland könnte ohne neue Hilfen bald das Geld ausgehen.

Dass nicht alle Parteien hinter der Übergangsregierung stehen, zeigte sich bereits am Montag. Präsident Papoulias musste ein Treffen mit den Chefs aller wichtigen Parteien kurzfristig wieder absagen, weil zwei linke Parteien ihre Teilnahme verweigerten. Der ehemalige Finanzminister Stefanos Manos von den Konservativen sagte zudem, der Chef der Übergangsregierung werde es schwer haben, denn hinter den Kulissen würden die Parteivorsitzenden die Fäden ziehen. Zudem werde sich der Öffentliche Dienst Entscheidungen widersetzen. „Alle werden auf die Neuwahlen warten“, sagte Manos.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte an die geplante Übergangsregierung, die Sparbeschlüsse des EU-Gipfels schnell umzusetzen. Sie dankte einem Sprecher zufolge zudem Papandreou für die Zusammenarbeit. Er habe sein Land mit Mut und Durchsetzungskraft auf den richtigen Weg gebracht. Die Sparmaßnahem seien für die Bevölkerung mühevoll, aber unumgänglich. Papandreou hat drastische Einsparungen und Steuererhöhungen durchgesetzt, die große Teile der Bevölkerung ablehnen.

An den europäischen Aktienmärkten und an der Wall Street ging es trotz der Einigung. „Die Nachricht, dass in Griechenland eine Koalition gebildet wird, ist eine gute Nachricht“, sagte ein Händler. „Aber die Euro-Debatte wird wahrscheinlich anhalten.“ Der europäische Bankenindex rutschte rund ein Prozent ab. Hier konzentrierten sich die Anleger eher auf Abschreibungs- und Finanzierungsrisiken. Immer mehr in den Fokus rückte dabei die Verschuldung Italiens. Hier kämpfte Ministerpräsident Silvio Berlusconi weiter um sein politisches Überleben. (rtr/abendblatt.de)

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Die aktuelle Zusammensetzung des Parlaments:

Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK): 152 Abgeordnete

Nea Dimokratia (ND): 85 Abgeordnete

Kommunistische Partei (KKE): 21 Abgeordnete

Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS): 16 Abgeordnete

Bündnis der Radikalen Linken (SY.RIZ.A.): 9 Abgeordnete

Zudem gibt es 17 Abgeordnete, die keiner dieser fünf Fraktionen angehören. Einige von ihnen haben sich kleineren Parteien zugehörig erklärt, die aber nicht genügend Mandate für einen Fraktionsstatus haben.

Mit Material von dpa, dapd