Der mutmaßliche neue Premier Lucas Papademos soll eine große Koalition anführen. Bürger fürchten, dass er nur Vorgaben aus Brüssel umsetzt

Athen. In Griechenland wird die neueste "freudige Nachricht" aus der Politik lebhaft diskutiert: Eine Regierung der "Nationalen Einheit". Darauf hatten sich Ministerpräsident Giorgos Papandreou und der konservative Oppositionschef Antonis Samaras nach langem Tauziehen geeinigt. Auf fast allen Zeitungen prangte dasselbe Titelbild: Papandreou links, Samaras rechts am Konferenztisch mit Staatspräsident Karolos Papoulias in der Mitte. Nur die konservative Zeitung "Elepheri Ora" erlaubte sich einen Spaß und blockte an die Stelle des Staatspräsidenten, also zwischen die beiden Kontrahenten Papandreou und Samaras, ein in Griechenland berühmtes Foto aus der Studentenzeit der beiden politischen Streithähne ein.

+++ Griechenland zum Rapport +++
+++ Parteikreise: Finanzminister Venizelos soll im Amt bleiben +++

Damals teilten sie sich ein Zimmer im Studentenwohnheim der Hochschule Amherst im amerikanischen Bundesstaat Massachusetts. Papandreou sieht auf diesem Jugendbild so aus, als bemühe er sich, Che Guevara möglichst ähnlich zu sehen, und Samaras sieht so aus wie jetzt auch: Schon damals trug er eine scheußliche Brille und einen drögen Gesichtsausdruck. "Nun teilen sie auch ein Zimmer im Maximo", also im Gebäude des griechischen Premiers, titelte die Zeitung.

Und äußerte den Verdacht, dass die angekündigte "Übergangsregierung", die Neuwahlen am 19. Februar vorbereiten soll, womöglich deutlich länger im Amt bleiben werde.

Die Griechen bleiben skeptisch. Klar war im Prinzip nur, dass Papandreou zurücktreten würde. Als Nachfolger wurde sein Berater, der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank Lucas Papademos genannt - aber nur von den Medien. Zwei Vizepremiers aus der bisherigen sozialistischen Regierungspartei Pasok und der Oppositionspartei Nea Dimokratia sollen ihn flankieren. Für Pasok soll das Finanzminister Evangelos Venizelos werden.

Die Übergangsregierung soll die schmerzhaften Sparmaßnahmen und Strukturreformen durchsetzen, die Bedingungen für die weitere internationale Hilfe für Griechenland sind. Nur dann fließen weitere Notkredite, nur dann wird ein großer Teil der griechischen Staatsschulden erlassen. Bis Ende der Woche soll die neue Regierung stehen und im Parlament das Vertrauensvotum erhalten.

+++ Dramatische Stunden in Athen +++
+++ "Will doch nur das Land retten +++

Eigentlich waren Umfragen zufolge die meisten Wähler für die große Koalition. Jetzt ist sie da - und plötzlich kommen Bedenken. Tourismus-Fachmann Sotiris Costopoulos schimpft: "Jetzt werden alle Hemmungen fallen, sie werden uns ausbluten lassen. Sie müssen nicht mehr fürchten, dass die Opposition dagegen vorgeht - sie ist ja nun mit von der Partie." Er spricht aus, was viele denken. Rechtsanwalt Christos Petrakos hält es für die beste Lösung, bleibt aber pessimistisch. "Es sind dieselben Leute, die uns die ganze Misere eingebrockt haben, Pasok und Nea Dimokratia. Sie mussten vom Ausland gezwungen werden, Vernunft anzunehmen." Was den mutmaßlichen neuen Ministerpräsidenten betrifft, Lucas Papademos, sagt der Anwalt: "Er war acht Jahre lang Chef der Nationalbank. Er war also ein Teil des Problems, das er nun lösen soll."

Die Euro-Länder zogen derweil die Daumenschrauben weiter an. Sie machen die Auszahlung der nächsten, dringend benötigten Notkredite für Athen von einer schriftlichen Verpflichtung aller wichtigen griechischen Parteien zum vereinbarten Sparprogramm abhängig, gab der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker gestern Abend nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel bekannt.