Oppositionelle melden den Rücktritt der Regierung, Präsident Bakijew hält an der Macht fest. Augenzeugen berichten von neuen Kämpfen.

Bischkek. Auch nach der Bildung einer Übergangsregierung kommt Kirgistan nicht zur Ruhe: Die Nachrichtenagentur AP berichtet von schweren Gewehrsalven und Übergriffen am späten Donnerstagsabend. Unterdessen betont Kirgistans Präsident Kurmanbek Bakijew, dass er nicht zurücktreten wird. Dem russischen Sender Radio Moskau sagte er: "Ich gebe auf keine Weise meine Niederlage zu."

Inzwischen hat sich die frühere Außenministerin Rosa Otunbajewa an die Spitze der Opposition gestellt und sich zur neuen Ministerpräsidentin erklärt. Die Anzahl der blutigen Auseinandersetzungen von Mittwoch werden inzwischen auf mindestens 70 Tote eingeschätzt.

Mit großen Reformversprechen hatte sich Bakijew vor fünf Jahren bei der Tulpenrevolution in Kirgistan seinen Weg an die Macht gebahnt. Zuletzt scheint er sich jedoch mit den Dämonen der Vergangenheit verbündet zu haben. Seine Kritiker werfen ihm vor, Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet und seiner Familie wichtige Posten verschafft zu haben. „Er ist eine Geisel seines Ehrgeizes und seines Clans geworden“, sagt der Zentralasien-Spezialist Alexej Malaschenko vom Carnegie-Institut in Moskau. Der Vorwurf ist nicht neu, Bakijew habe die Machenschaften seines als korrupt verrufenen Vorgänger Akajew durch seinen eigenen Intrigen ersetzt.

Der gelernte Elektroingenieur aus der südkirgisischen Region Osch ist ein erfahrener Politiker – ein „Apparatschik“ mit einer langjährigen Karriere im Staatsapparat. Das politische Handwerk erlernte Bakijew von der Pieke auf. Aus der Provinz arbeitete er sich bis in die oberen Machtetagen hoch: Erst als Bürgermeister, dann als Vizepräsident des Regionalparlaments von Dschalalabad und später als Gouverneur. Im Dezember 2000 wurde er vom damaligen Präsidenten Akajew zum Regierungschef ernannt. Nach gut einem Jahr trat er aus Protest gegen einen blutigen Polizeieinsatz gegen Demonstranten in seiner Heimatregion zurück und stellte sich 2005 an die Spitze der Protestbewegung gegen Akajew.

Bakijew ist ein Jongleur der Macht. Im vergangenen Jahr wurde er mit einer Mehrheit von 85 Prozent als Präsident bestätigt, allerdings wurde die Wahl von Betrugsvorwürfen überschattet. Kurz davor hatte er sich mit Washington und Moskau ein Katz-und-Maus-Spiel um einen US-Stützpunkt in seinem Land geliefert. Schließlich willigte er ein, den USA die Nutzung des für ihren Afghanistan-Einsatz wichtigen Stützpunktes weiterhin zu erlauben.

Politische Instabilität, eine düstere Wirtschaftslage und die Missachtung von Menschenrechten sind nach Ansicht von Kritikern prägnante Merkmale von Bakijews Amtszeit. Am Mittwoch war in der Hauptstadt nun ein Konflikt mit einer Opposition eskaliert, die seit Monaten die Korruption und die Behinderung der Meinungsfreiheit in dem armen, zentralasiatischen Land anprangerte.