Hamburg/Moskau. Wladimir Putin holt jetzt Parolen heraus, mit denen er schon vor zehn Jahren in den Kampf gegen den Terror zog. Wieder steht der russische Ministerpräsident unter Druck. Sein ruppiger Ton verrät es. Man werde die Hintermänner des Attentats in der Moskauer U-Bahn fassen. Es sei eine "Ehrensache der Sicherheitsorgane, die Terroristen vom Boden der Kanalisation zu kratzen und ans Tageslicht zu bringen". Die radikalen Worte Putins erinnern an das Jahr 1999. Nach Anschlägen auf Wohnhäuser in Russland wollte er die Rebellen aus Tschetschenien "im Klo ersäufen".

Die Terroristen werden in der Rhetorik Putins gleichgesetzt mit Ungeziefer. In seiner Sprache sind sie hinterhältige, düstere Kreaturen. Es ist die Semantik eines Autokraten. Damit war Putin schon erfolgreich, als der gelernte Offizier des russischen Geheimdienstes mit seiner Partei Einiges Russland erst Ministerpräsident und im Jahr 2000 Präsident des Landes wurde. Das Russland unter Putin "liegt nicht mehr auf den Knien". Es siege nun wieder, propagierte er. Nach seinem Wahlsieg zum Präsidenten etablierte Putin nach und nach einen Kult um seine Person. Bald gab es Putin-Büsten in den Behördenstuben und der Datscha des Durchschnittsrussen. Es gab Putin-Eis, sogar einen Putin-Song. Eine Mädchenband sang 2002 "Ich will einen Mann wie Putin". In dem Kult um Putin klingt ein Hauch von Größenwahn mit wie bei dem Kult um den sowjetischen Diktator Stalin.

Die radikale Sprache ist Teil dieser politischen Inszenierung. Und sie soll Putins Macht legitimieren - in den Tagen nach dem Attentat der islamistischen Rebellen, das bei den Menschen große Unsicherheit hinterließ. Putins scharfe Worte geben ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Seine Entschlossenheit strahlt Charisma aus. Und er bedient mit seinen Sprüchen eine nationalpatriotische Stimmung.

Doch das wird nicht lange nachwirken, wenn er keine politischen Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus erzielt. Präsident Dmitri Medwedew hat gestern ein Dekret unterzeichnet, das Regierungschef Putin eine Frist von vier Monaten einräumt, um einen Plan zur Verbesserung der Sicherheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln aufzustellen.

Der Krisenmanager Medwedew emanzipiert sich zunehmend von seinem politischen Ziehvater Putin, dem Machtmenschen. Medwedews Worte klingen im Vergleich zu Putin nach trockener Sachpolitik: "Das Ziel der Terroristen ist die Destabilisierung des Landes, die Zerstörung der Zivilgesellschaft, die Verbreitung von Angst und Panik", sagte Medwedew. Das gelte es zu verhindern.

Der Präsident beruhigt, Putin feuert los. Nun aber wachsen Befürchtungen, dass die Bürgerrechte unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung weiter beschnitten werden könnten. Kremltreue Abgeordnete fordern die Todesstrafe für Terroristen. Und schon 2004 hatte Putin nach einer Serie von Anschlägen die Gouvernementswahlen abgeschafft, was praktisch den Kreml zur Ernennung der Gouverneure ermächtigte, und drängte liberale Kritiker aus dem Parlament. Seither ist die politische Opposition zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Die Demokratie blieb nach Putins hartem Kurs auf der Strecke. Auch das hatten die Terroristen damals erreicht.