Bei den beiden U-Bahn-Attentäterinnen von Moskau soll es sich um junge Witwen getöteter Islamisten aus dem Nordkaukasus handeln.

Moskau. Das Gesicht ist noch kindlich. Selbst mit Gesichtsschleier, der nur ihre Augen freilässt, wirkt Dschennet Abdurachmanowa blutjung. Der Teenager in der Kleidung einer strenggläubigen Muslimin wirkt unschuldig - wäre da nicht die Pistole in der Hand. Die russischen Ermittler sind sich sicher: Die 17-jährige, deren Fotos am Freitag von russischen Zeitungen veröffentlicht wurden, ist eine der beiden Selbstmordattentäterinnen aus der Moskauer Metro.

Dschennet sei hundertprozentig eine der beiden Frauen, die am Montag in zwei Metrostationen der russischen Hauptstadt ihre Sprengstoffgürtel zündeten und 40 Menschen mit sich in den Tod rissen, berichteten die russischen Nachrichtenagenturen unter Berufung auf den russischen Antiterror-Ausschuss. Polizisten fanden später ihren abgetrennten, blutverschmierten Kopf auf dem U-Bahnsteig.

Trotz ihrer Jugend teilt Dschennet Abdurachmanowa offenbar das Schicksal anderer muslimischer Frauen im Nordkaukasus: Über Internet kommt sie in Kontakt mit einem radikalislamischen Rebellen, lebt mit ihm und wird nach seinem Tod im Kampf gegen die russischen Sicherheitskräfte zur Rächerin. Auf das Konto dieser „Schwarzen Witwen“ geht seit rund zehn Jahre eine Reihe schwerer Anschläge in Russland.

Von der jungen Frau ist bisher nur wenig bekannt. Nach Angaben der Zeitung „Kommersant“ wuchs sie in Kostek auf, einem kleinen Dorf im Westen Dagestans, das für seine Meister im Wrestling bekannt ist. Sie ist gerade mal 16 Jahre alt, als sie über das Internet Umalat Magomedow kennenlernt, den „Emir von Dagestan“ und angeblich engen Vertrauten des mutmaßlichen Drahtziehers der Moskauer Anschläge, Doku Umarow alias der „Emir vom Kaukasus“. Nach einem ersten Treffen mit Magomedow sei die junge Frau „quasi“ zum Zusammenleben mit ihm gezwungen worden, berichtet „Kommersant“ unter Berufung auf Ermittler aus Dagestan.

Auf einem von der Zeitung veröffentlichten Foto legt Magomedow den Arm um die Schulter seiner jungen Frau, beide halten lässig ihre Waffen in die Kamera. Ob sie tatsächlich verheiratet sind, ist unklar: Auf dem Bild tragen sie keine Eheringe. Wenige Monate später ist Magomedow tot. Nach Angaben der Ermittler wurde er am 31. Dezember während einer Polizeikontrolle in Chassawjurt im Westen Dagestans erschossen. Dort lebte er offenbar auch mit Dschennet. Radikalislamische Rebellen hätten die 17-Jährige daraufhin „überzeugt“, dass sie sich aus Rache für ihren Mann „opfern“ müsse.

Bei ihrer Leiche fanden die Polizisten einen Liebesbrief auf Arabisch, wie die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ schreibt. Arabisch ist im Nordkaukasus selten. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass die 17-Jährige im Nahen Osten zur Terroristin ausgebildet wurde. Laut „Kommersant“ könnte sie aber auch zu einer Gruppe von rund 30 Selbstmordattentätern gehören, die vor allem im Internet von Rebellenführern angeworben und in Tschetschenien trainiert wurden. Gemeinsam mit der zweiten Attentäterin soll sie dann von Dagestan mit dem Bus nach Moskau gekommen sein.

Bei der zweiten Attentäterin soll es sich um eine 20-jährige Tschetschenin handeln - die Witwe eines im Oktober 2009 in Gudermes getöteten Rebellen ist seit dem vergangenen Sommer als vermisst gemeldet. Ein Vertreter des tschetschenischen Geheimdienstes zog den Bericht jedoch in Zweifel: Das Foto der jungen Frau passe nicht zu den Leichenfotos der Attentäterinnen, sagte er der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti.

Der bei der Leiche gefundene Liebesbrief endet mit dem Abschiedsgruß: „Wir sehen uns im Himmel“ - geschrieben wurde er laut „Moskowski Komsomolez“ von einem jungen Mädchen, dessen Namen auf Arabisch „Paradies“ bedeutet.