Sie gehören zu den extremsten Tschetschenen, die sich niemandem unterordnen wollen. Der Chef der Geiselnehmer, Mowsar Barajew, gehört nach Ansicht von Ruslan Chasbulatow, selbst Tschetschene und ehemaliger Vorsitzender des russischen Parlaments, zu den extremsten Vertretern der tschetschenischen Bojewiki, die sich dem tschetschenischen Präsidenten Maschadow nicht unterordnen. Die Geiselnehmer seien auch zum Sterben bereit. ABENDBLATT: Sie haben mit den Geiselnehmern gesprochen? RUSLAN CHASBULATOW: Ja, ich war die ganze Nacht im Krisenstab und habe zusammen mit dem tschetschenischen Parlamentsabgeordneten Aslambek Aslachanow mit ihnen auf Tschetschenisch verhandelt. Aber es blieb alles etwas nebelhaft. ABENDBLATT: Was haben die tschetschenischen Kämpfer verlangt? CHASBULATOW: Den Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien, Verhandlungen und die Unabhängigkeit Tschetscheniens. In richtige Verhandlungen wollten sie zunächst auf keinen Fall eintreten. Es ist ihre Taktik, Ungewissheit und Unruhe zu verbreiten. ABENDBLATT: Sind Ihnen die Geiselnehmer bekannt? CHASBULATOW: Nicht persönlich, aber sie gehören zum radikalsten Teil der Gruppierung, die sich nicht dem tschetschenischen Präsidenten Maschadow unterordnet. Viele von ihnen sind gut ausgebildet, entschlossen und ziehen völlig autonom auf den Kriegspfad, unter anderem aus Rache für den Tod enger Familienangehöriger. Diese Leute sind es gewohnt, große Risiken einzugehen und kämpfen seit vielen Jahren. ABENDBLATT: Wie wird sich das Geiseldrama auf die Situation in Tschetschenien auswirken? CHASBULATOW: Ich befürchte ernsthafte negative Folgen. Die russische Führung könnte nun endgültig alle Verhandlungen ablehnen. Denn das, was hier in Moskau geschieht, ist doch eine Folge des Krieges im Nordkaukasus, der dort bereits im vierten Jahr tobt. Das müsste doch nun jeder verstehen. Zu befürchten ist indes, dass die Moskauer Führung endgültig keine Verhandlungen mehr zulässt, dass sich dadurch die Konfrontation weiter verhärtet und weitere Terrorakte wahrscheinlich werden. Verhandlungen mit Maschadow könnten die Lage retten. Interview: Manfred Quiring