Kommentar

Das Schicksal, in einem politischen Konflikt zur Geisel zu werden, ist stets tragisch. Im Falle der Moskauer Musical-Besucher ist die Lage katastrophal. Auf der einen Seite steht ein Staat, der zur Lösung von Konflikten selten ein anderes Mittel als den großen Knüppel einzusetzen vermochte. Auf der anderen Seite stehen Terroristen, bereit, gnadenlos das Leben ihrer Geiseln und auch ihr eigenes zu opfern. Sie sind alles andere als hehre Freiheitskämpfer. Auch in den Jahren relativer Unabhängigkeit von Moskau waren in Tschetschenien Geiselnahme und Erpressung die einzigen florierenden Wirtschaftszweige. Es geht im Tschetschenien-Konflikt auch nicht nur um nationale Identität und Freiheit, sondern vor allem um strategisch wichtige Erdöltrassen und Verkehrswege sowie um die Ausbreitung des moslemischen Extremismus an Russlands Südgrenze. Darunter zu leiden haben seit Jahren vor allem die Tschetschenen, die wie alle anderen Menschen viel lieber in Frieden leben würden, statt in Flüchtlingslagern zu vegetieren oder abwechselnd von extremistischen Rebellen und marodierenden Militärs heimgesucht zu werden. Und darunter zu leiden haben jetzt auch die Theater-Geiseln. Durch ihr Schicksal soll nach dem Willen der Terroristen das Augenmerk der Weltöffentlichkeit wieder auf den Tschetschenien-Konflikt gelenkt werden. Der Lösung wird er aber so keinen Millimeter näher gebracht.