Trotz der Sorge um seinen Sohn stimmte Senator Tim Johnson für den Krieg

Washington. Tim Johnsons Kollegen wissen, warum er sich während langer Sitzungen öfter hinausschleicht und erst 15 bis 20 Minuten später wiederkommt. Der Demokrat, der seinen Heimatstaat South Dakota im US-Senat vertritt, rennt dann schnell in sein Büro, schaut sich die neuesten Entwicklungen im Irak-Krieg auf CNN an und kontrolliert, ob er eine E-Mail seines Sohnes Brooks bekommen hat. Der Politiker ist in einer anderen Position als alle anderen 99 US-Senatoren und 435 Mitglieder des US-Repräsentantenhauses. Kein Kongressabgeordneter außer ihm hat ein Kind, das aktiv für die USA im Irak kämpft. "Die ganze Sache wird dadurch natürlich plötzlich sehr persönlich", meint Johnson. Die Sorge, die er um seinen 31-jährigen Sohn hat, konnte den Demokraten jedoch nicht davon abhalten, im November 2002 mit "Ja" zu stimmen, als es darum ging, US-Präsident George W. Bush die Vollmacht für einen Militärschlag gegen den Irak zu geben. "Ich habe mich mit Brooks über E-Mails ausgetauscht", erzählt Tim Johnson. Als er den Unterfeldwebel der 101st Airborne Divison damals um Rat bei der Entscheidung fragte, schrieb ihm dieser zurück: "Vater, ich mache meinen Job hier so gut ich kann, deine Aufgabe ist es, als Senator das Beste für unser Land zu tun." Für Brooks Johnson, der für eine Hubschrauberangriffs-Einheit arbeitet, ist die Irak-Operation bereits der vierte Krieg in fünf Jahren. Bevor man den blonden, hünenhaften Mann, der gut in jeden Rambo-Film passen würde, nach Kuwait verlegte, kämpfte er in Afghanistan, Kosovo und Bosnien. Johnson ist mit seiner Truppe jetzt irgendwo im Irak. Das letzte Mal, dass sein Vater von ihm gehört hat, war vergangene Woche. Damals berichtete sein Sohn, dass er noch in Kuwait sei, dass man aber "rund um die Uhr arbeite und sich auf den großen Angriff vorbereite". Er warnte seine Eltern auch, dass sie vielleicht "eine ganze Weile nicht mehr von ihm hören werden". Der Unterfeldwebel kam eher zufällig zum Militär. Der ehemalige High-School-Footballstar, der sich für Jazz und klassische griechische Literatur interessiert, brach das College ab und ging dann zur US-Army. Dort tut Johnson seit zehn Jahren Dienst und hat trotzdem keine Ambitionen auf eine militärische Spitzenkarriere. Das Angebot auf die Offiziersschule zu gehen, lehnte er ab. Sein Vater: "Brooks möchte bei seinen Kameraden sein und dort, wo etwas los ist, nicht in irgendwelchen Planungsstäben, abseits des Geschehens." Der Senator kam in die Kritik, als er im Herbst 2002 um seine Wiederwahl bangen musste und einen Wahl-Spot mit seinem damals in Afghanistan stationierten Sohn drehte. Johnson senior verwies darauf, dass man in seiner Familie den Auftrag, das Vaterland zu verteidigen, noch ernst nehme. Er sei schließlich der einzige Kongressabgeordnete, dessen Sohn in Afghanistan kämpfe. Zahlreiche Professoren und Kriegsgegner sind der Meinung, dass die Bereitschaft, Kriege zu führen, sehr viel geringer wäre, wenn der Großteil der führenden Politiker selbst Kinder oder Angehörige an der Front hätte. Charles C. Moskos, der bekannteste US-Professor für Militär- Soziologie: "Die Politiker senden doch eine klare Botschaft an die Bürger, wenn sie ihre Kinder nicht in den Krieg schicken wollen, weil sie deren Tod fürchten." Der Wissenschaftler verweist darauf, dass sich in den letzten Jahrzehnten in dieser Hinsicht sehr viel geändert hat. So hätten alle Brüder John F. Kennedys und auch dieser selbst gedient, aber kein Einziger ihrer Nachkommen. Moskos warnt davor, dass die Bevölkerung auf Dauer nur dann "Entbehrungen akzeptiert, wenn sie sieht, dass ihre Führung auch Opfer bringt". Daran fehlt es jedoch bei diesem Krieg gegen Irak ganz deutlich.