Empörung über Waffenlieferungs-Vorwürfe der USA - dennoch ist Moskau zur Vermittlung bereit

Moskau. Russlands Außenminister Igor Iwanow war wohl selten so außer sich wie bei diesem Telefonat mit seinem amerikanischen Kollegen Colin Powell. "Wir haben keine Waffensysteme an den Irak geliefert. Wir halten uns an internationale Vereinbarungen wie UNO-Sanktionen", sagte Iwanow und wiederholte nur das, was Präsident Putin am Vorabend US-Präsident Bush über die "unbewiesenen und öffentlichen Behauptungen" mitgeteilt hatte. Der Kreml sieht sich zu Unrecht am Pranger und reagierte mit einem nervösen Schwall von Dementis. Russische Medien hingegen frohlockten: "Russland lenkt die Bomben ab", schrieb die Moskauer "Gazeta", und der TV-Sender n-tv kommentierte, "selbst Araber" könnten mit "unseren Waffen" umgehen. Der Streit um die angebliche Lieferung von Nachtsichtgeräten, Panzerabwehrraketen und Störsendern (um so genannte intelligente Bomben in die Irre zu führen) an den Irak hat den Beziehungen zwischen Moskau und Washington einen neuen Tiefpunkt beschert. Gestern teilten US-Militärs allerdings mit, dass sechs dieser Sender in Irak zerstört worden seien. Trotz der Differenzen könnten schon bald die Russen den Amerikanern im Irak-Konflikt gute Dienste leisten. Wie das Abendblatt bereits berichtete, könnte der Kreml als Vermittler eingeschaltet werden. Die Spekulationen nährte Außenminister Iwanow, der dem Rat für Außen- und Verteidigungspolitik, einem informellen Gremium der russischen politischen Elite, über ein Gespräch mit Colin Powell berichtete. Der Amerikaner habe sich bei ihm über die Möglichkeit diplomatischer Initiativen erkundigt. Aus Sicht Moskaus wird sich die Frage nach Vermittlung mit zunehmendem Leidensdruck stellen. Russland wäre zweifelsohne ein geeigneter Kandidat für eine Friedenslösung im Irak. Schließlich hat Moskau im arabischen Raum traditionell großen Einfluss und würde gerne als Vermittler in einer so wichtigen Angelegenheit ein Wörtchen mitreden. Ex-Außenminister und Ex-Premier Jewgeni Primakow wird als möglicher Unterhändler genannt, denn er kennt Saddam seit fast drei Jahrzehnten. Dazu hat Russland wirtschaftliches Interesse an der Region, angefangen von Ölverträgen bis hin zu einem möglichen Wiederaufbau. Unklar ist, ob Moskau Saddam "überreden" soll, die Waffen zu strecken. Primakow, der zuletzt am 23. Februar in Bagdad weilte, sagte jedenfalls, er halte einen freiwilligen Abgang Saddams für "wenig wahrscheinlich", obwohl dessen Handlungen "schwer vorhersehbar" seien." Russland will den Fall Irak so schnell wie möglich vor den UNO-Sicherheitsrat bringen. "Die UNO kann nicht unbeteiligt an den Ereignissen bleiben, die im Irak vor sich gehen", sagt Iwanow. Im Außenministerium wird deshalb an einem Friedensplan gearbeitet. Gerne wird das Jugoslawien-Szenario als Beispiel genommen. In das Kosovo wurden nach den Bombenangriffen der Alliierten Blauhelme geschickt. Eine solche Lösung bevorzugt Moskau.