Berlin. Die Ampel muss dringend mehr für Klimaschutz tun. Doch die Ergebnisse des Koalitionsausschusses haben das noch schwieriger gemacht.

In Frankreich haben unlängst Bauern für Regen gebetet, weil der Winter so trocken war. Im Gardasee kann man derzeit zu Fuß auf die Insel San Biago spazieren. Spanien hat den ersten großen Waldbrand des Jahres schon hinter sich, und im Südosten Afrikas hat kürzlich ein wochenlang wütender Zyklon – weitgehend ohne öffentliche Aufmerksamkeit in Europa – die Länder Mosambik, Malawi und Madagaskar verwüstet und hunderte Menschen getötet.

Vielleicht herrscht in den Bundestags-, Ministerial- und Kanzleramtsbüros schlechter Handyempfang, vielleicht bleibt neben dem Regieren auch keine Zeit mehr, solche Nachrichten zu lesen. Das wäre jedenfalls eine Erklärung, warum die Spitzen der Koalition gestern trotz immer heftigeren Folgen des Klimawandels, trotz immer größerem Handlungsdruck ein Papier beschlossen haben, über dem „Klimaschutz“ drübersteht und wenig Klimaschutz drin ist.

Hintergrund:„Horror-Nachrichten“ – Laute Kritik an Beschlüssen der Ampel

Ob Solar- und Windkraftanlagen entlang neuer Autobahnen ausgleichen, was an Emissionen durch den Autobahnausbau entsteht, kann man berechtigt anzweifeln. Und wie dekarbonisiert deutsche Heizungssysteme demnächst wirklich sein werden, wenn diese Beschlüsse umgesetzt werden, ist einen Tag danach angesichts schwammiger Formulierungen auch noch unklar.

Theresa Martus / Funke Mediengruppe
Theresa Martus / Funke Mediengruppe © Reto Klar | Reto Klar

Umsetzung des Klimaschutzgesetz läuft jetzt schon nicht reibungslos

Doch keine Entscheidung dieses Koalitionsausschusses wird so langfristige Auswirkungen auf deutsche Klimapolitik haben die Änderungen beim Klimaschutzgesetz: Bisher sieht das Gesetz (das übrigens ein Erfolg von SPD-Ministerin Svenja Schulze in der vergangenen Wahlperiode war) klare Aufgaben, klare Verantwortlichkeiten vor. Wer als Minister oder Ministerin verantwortlich ist für Energie, Industrie, Verkehr oder einen der anderen Sektoren im Gesetz, muss einen fest definierten Teil beitragen zum Erreichen der Klimaziele. Jährlich wird Bilanz gezogen, und wer in seinem Bereich die Emissionen nicht weit genug senken kann, muss nacharbeiten: Ein „Sofortprogramm“ für den betreffenden Sektor fordert das Gesetz.

Das klappt schon jetzt, freundlich formuliert, nicht reibungslos – Verkehrsminister Volker Wissing ist mehr als ein Jahr nach der ersten Zielverfehlung ein Programm immer noch schuldig.

Setzen SPD, Grüne und FDP um, was sie gestern zu Papier gebracht haben, dürften solche Ausweichmanöver aber noch deutlich einfacher werden. Zwar sollen die Ziele für die einzelnen erhalten bleiben und auch jedes Jahr überprüft, ob sie erreicht werden. Wirklich zählen soll aber künftig nur noch die Gesamtmenge der Emissionen. Nur wenn man insgesamt nicht auf Kurs ist für das Etappenziel von 65 Prozent weniger Emissionen als 1990 bis 2030, sollen daraus irgendwelche Maßnahme folgen. Die Ministerien, die ihre Ziele nicht erreicht haben, sollen dazu „beitragen“.

Lesen Sie auch: „Riesenfortschritt“ – Wer mit Ampel-Ergebnissen zufrieden ist

Die Änderungen machen gemeinsames Versagen wahrscheinlich

Praktisch für alle, die ihre Ziele nicht erreichen (und das vielleicht auch gar für so dringend ansehen) – die Verantwortung diffundiert auf diese Weise durch die ganze Bundesregierung. Wenn nicht ein Sektor so viel liefert, dass es reicht, die Schwächen der anderen auszugleichen, versagt man eben gemeinsam.

Die Ampel-Koalition bewegt sich damit freiwillig zurück in jene Situation, die Klimaschutzpolitik jahrzehntelang so schwerfällig gemacht hat: Wenn irgendwie alle verantwortlich sind, ist es am Ende niemand. Man kann das so machen, wenn man kurzfristig möglichst bequem Politik machen möchte. Man sollte anstandshalber dann aber davon absehen, im nächsten Wahlkampf mit Klimaschutz zu werben.