Eine Stimmen-Imitatorin soll vorgetäuscht haben, Lamia Schakkur zu sein. Oder wollte sie sich tatsächlich von Assad lossagen?

Paris/Istanbul. In Frankreich herrscht große Verwirrung um ein Interview der syrischen Botschafterin, Lamia Schakkur. Sie hat eine von französischen Medien verbreitete Rücktrittserklärung am Mittwoch als Fälschung bezeichnet. Bei der vom Radiosender France 24 ausgestrahlten Aufnahme habe jemand ihre Stimme imitiert, sagte Schakkur dem Fernsehsender BFM. Weniger als eine Stunde nach ihrer scheinbaren Rücktrittserklärung am Dienstag hatte die Diplomatin den Rücktritt im syrischen Staatsfernsehen dementiert. Die Frage ist: Wollte sie sich wie libysche Diplomaten zuvor im Fall Muammar al-Gaddafis, von Staatspräsident Assad lossagen?

„Ich war vollkommen überrascht“, sagte Schakkur am Mittwochmorgen vor der Kamera und kündigte an, France 24 zu verklagen. Der beschuldigte Radiosender erklärte, die Redaktion habe eine Telefonnummer angerufen, über die auch in der Vergangenheit die Botschafterin erreicht worden war. Schakkur habe zugestimmt, in eine Sendung zugeschaltet zu werden und dann plötzlich erklärt, sich vom syrischen Regime, das seit mehreren Wochen mit brutaler Gewalt gegen friedliche Proteste vorgeht, lossagen zu wollen.

Die USA und ihre Verbündeten wollen derweil gegen Syrien wegen mangelnder Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) eine Resolution des Weltsicherheitsrats erwirken. Ein entsprechender Entwurf wurde nach Informationen der Nachrichtenagentur AP in Wien 35 Ministern vorgelegt, die im IAEA-Direktorium vertreten sind. Die Initiative steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem gewaltsamen Vorgehen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gegen die Protestbewegung in seinem Land. Dabei sollen seit März mehr als 1300 Menschen getötet worden sein. Sie knüpft vielmehr an einen Bericht von IAEA-Chef Yukiya Amano vom 24. Mai an. Dem Entwurf zufolge soll der Sicherheitsrat „große Sorge“ über „die mangelnde syrische Kooperation“ bei Überprüfungen der IAEA ausdrücken, insbesondere zum Zustand der Atomanlage Dair Asur.

Die Atomanlage Dair Asur wurde 2007 zerstört, nachdem sie von israelischen Kampfflugzeugen bombardiert worden war. Sie soll einen mit nordkoreanischer Hilfe nahezu fertiggestellten Reaktor gehabt haben, mit dem vermutlich Plutonium für die Herstellung von Atomwaffen produzierbar gewesen wäre. Darüber fordert die IAEA seit 2008 vergeblich Informationen von der syrischen Regierung.

Nach Unruhen im Nordwesten Syriens sind in der Nacht zum Mittwoch Medienberichten zufolge 120 Menschen in das Nachbarland Türkei geflüchtet. Die Grenzgänger würden in Zelten von der Hilfsorganisation Roter Halbmond versorgte, berichtete die amtliche türkische Nachrichtenagentur Anatolien. Nach Angaben des türkischen Außenministeriums sind seit Beginn der Protestwelle im März etwa 420 Menschen aus Syrien in die Türkei gekommen. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Mittwoch, die Türkei werde ihre Türen für syrische Flüchtlinge nicht verschließen. (dapd/rtr)