Eine Amnestie soll die Demonstranten beschwichtigen. Die syrische Opposition winkt ab. Assads Soldaten gehen gegen Studenten vor.

Damaskus/Istanbul. Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat eine Ausweitung seiner Ende Mai verkündeten Amnestie für politische Gefangene beschlossen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Amnestie, die in einigen Fällen Straffreiheit und in anderen Fällen eine Reduzierung des Strafmaßes vorsieht, solle für Taten gelten, die vor dem 21. Juni begangen wurden. Die Opposition nahm diese neuerliche Ankündigung des Präsidenten nicht ernst. Ein in der Türkei lebender syrischer Aktivist sagte: „Das ist Teil eines schlechten Theaterstücks, genauso wie die Rede, die Assad gestern in der Universität Damaskus gehalten hatte.“ Die Opposition schätzt, dass seit Beginn der Proteste Mitte März 12.000 mutmaßliche Regimegegner festgenommen wurden.

In seiner Rede vom Montag hatte Assad unter anderem erklärt: „Wir lassen uns von niemandem Lektionen erteilen, sondern wir wollen anderen Lektionen erteilen.“ Oppositionelle vermuten, dass dies gegen die Türkei gerichtet war, die den syrischen Präsidenten Assad in den vergangenen Monaten mehrfach zu demokratischen Reformen gedrängt hatte. Wie viele Gefangene von der ersten Amnestie profitiert hatten, ist nicht bekannt.

Tausende syrische Staatsdiener und Mitglieder der regierenden Baath-Partei haben am Dienstag an einer Jubelkundgebung für Präsident Baschar al-Assad teilgenommen. Sie hielten in der Innenstadt von Damaskus Bilder des Präsidenten hoch. Mobilfunk-Nutzer waren am Dienstagmorgen per SMS aufgefordert worden, an der Pro-Assad-Kundgebung teilzunehmen. Sie erhielten Textnachrichten wie „Lasst die Welt unsere Stimme hören“ und „Syrien ist unser Land“. Nach der Rede hatte es am Montagnachmittag und am Abend erneut in mehreren Provinzen Proteste gegen Assad und sein Regime gegeben.

Die syrische Armee hat unterdessen ihre Offensive gegen Regierungskritiker ausgeweitet und zahlreiche Studenten in der Stadt Aleppo festgenommen. Die Sicherheitskräfte hätten in der nördlichen Handelsmetropole weitere Straßenblockaden errichtet, sagte ein Geschäftsmann aus Aleppo der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon. Agenten des Militärgeheimdienstes patrouillierten in den Straßen und kontrollierten die Personalien von Passanten. Zu den Festnahmen an der Universität sei es gekommen, nachdem zahlreiche Studenten auf dem Campus-Gelände demonstriert und dabei auch die jüngste Rede von Präsident Baschar al-Assad kritisiert hätten, berichteten Menschenrechtsaktivisten. Dutzende Studenten seien festgenommen worden. Auch in der nahe gelegenen Ortschaft Tel Rifaat seien zwölf Demonstranten verhaftet worden, darunter ein Prediger. Da die syrischen Behörden die meisten Auslandskorrespondenten ausgewiesen haben, ist eine Überprüfung der Berichte schwierig. (dpa/rtr)