Das Innenministerium kündigte harte Reaktion an. Beamte gerieten einem Bericht zufolge nahe der türkischen Grenze in einen Hinterhalt.

Beirut. Die Gewalt in Syrien nimmt immer heftigere Formen an. In einer seit Tagen umkämpften Stadt nahe der türkischen Grenze sind nach einem Bericht des staatlichen syrischen Fernsehens vom Montag 120 Polizisten und Sicherheitskräfte getötet worden. Das Innenministerium in Damaskus kündigte am Montag eine entschiedene und kraftvolle Reaktion auf derartige Angriffe an.

Die Beamten seien in Dschisr al Schughur in einen Hinterhalt geraten und in ein Feuergefecht verwickelt worden, hieß es in dem Fernsehbericht. Es soll sich bei den Angreifern um um «bewaffnete Banden» handeln, deren Vorgehen in dem Bericht als Massaker bezeichnet wurde. Die bewaffneten Gruppen hätten Polizei- und Sicherheitskräfte angegriffen, das Postamt gesprengt, Behördengebäude in Brand gesteckt und Leichen verstümmelt. Für den Bericht gab es keine Bestätigung von unabhängiger Seite.

Die Regierung werde Angriffen auf den Staat nicht untätig zuschauen, sagte Innenminister Ibrahim Schaar. Seine kurze Stellungnahme wurde von Beobachtern als eine bevorstehende Verstärkung des ohnehin schon sehr massiven Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Protestbewegung aufgefasst.

Sicherheitskräfte gehen seit mehreren Tagen gegen die Protestbewegung in Dschisr al Schughur vor. Menschenrechtsgruppen haben berichtet, seit Sonnabend seien mindestens 35 Menschen getötet worden.

Laut Fernsehbericht versteckten sich die bewaffneten Gruppen in Häusern und schossen auf Soldaten und Zivilpersonen. Sie hätten bei einem Feuergefecht Bewohner als menschliche Schutzschilde eingesetzt, hieß es weiter.

Seit März sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen in Syrien mehr als 1.200 Menschen beim harten Vorgehen der Regierung gegen die Protestbewegung getötet worden.

Blutvergießen auf den Golanhöhen

Israelische Soldaten sind gestern gewaltsam gegen pro-palästinensische Demonstranten auf den Golanhöhen vorgegangen und haben mindestens 20 Menschen getötet. Das syrische Fernsehen berichtete, 325 weitere Menschen seien verletzt worden, als die Soldaten über die syrische Grenze hinweg das Feuer auf die Menge eröffnet hätten.

Die Demonstranten hatten sich der Grenzbefestigung genähert, Fahnen geschwenkt, Steine und Müll über den Zaun geworfen. Die Soldaten setzten zunächst Tränengas ein, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Hunderte Menschen flohen in Panik aus dem Grenzgebiet, während etwa 20 Menschen auf dem Boden liegen blieben. Die Demonstranten hatten sich gestern Morgen auf der syrischen Seite der Grenze versammelt und den Tag über dort ausgeharrt. Das syrische Fernsehen berichtete weiter, syrische und palästinensische Demonstranten hätten sich zu einem unbegrenzten Sitzstreik entschlossen.

Tausende Menschen seien auf dem Weg in das Grenzgebiet, um sich dem Vorhaben anzuschließen. Die Menge wollte mit ihrer Demonstration an den 44. Jahrestag, den sogenannten Naksa-Tag, an den Beginn des Sechstagekrieges von 1967 erinnern, der mit einer arabischen Niederlage endete.

Bereits im Mai war es zu einer ähnlichen Aktion gekommen. Damals drangen Hunderte Menschen über die Grenze nach Israel vor, mehr als ein Dutzend Menschen wurden getötet. In Erwartung möglicher neuer Unruhen hatte Israel Tausende Soldaten an die Grenze entsandt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte vor seinem Kabinett, Extremisten versuchten, die Grenzen zu durchbrechen, und bedrohten israelische Gemeinden und Bürger.

Die Sicherheitskräfte seien zu "maximaler Zurückhaltung" aufgefordert worden. Israel beschuldigte Syrien, die Unruhen angestachelt zu haben, um von den Protesten im eigenen Land abzulenken. Das syrische Fernsehen berichtete dagegen, die Demonstration sei spontan entstanden und zeige, wie viel Ärger sich unter den Palästinensern aufgestaut habe. Nach israelischen Militärangaben feuerten Soldaten zunächst Warnschüsse in die Luft. Als einige Demonstranten den Zaun erreichten, hätten die Soldaten Schüsse auf deren Beine abgegeben. Die israelischen Streitkräfte warfen den Demonstranten vor, auch Brandbomben auf sie geworfen und Feuer gelegt zu haben.

Israel eroberte 1967 die Golanhöhen von Syrien, das Westjordanland und Ost-Jerusalem von Jordanien sowie den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel von Ägypten. Den Sinai hat Israel zwischenzeitlich wieder zurückgegeben, aus dem Gazastreifen hat es sich zurückgezogen.

Die Palästinenser erklärten sich unterdessen zur Teilnahme an einer Nahost-Konferenz in Paris bereit. Ein Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas sagte am Wochenende, man warte nun auf die Antworten aus Israel und den USA. Israels Ministerpräsident Netanjahu erklärte gestern, man erwäge eine Teilnahme an der Konferenz. Vor einer Entscheidung wolle er aber zunächst Rücksprache mit den USA halten. (dapd/abendblatt.de)