Mehr als 120 Soldaten sollen erschossen worden sein – doch von wem? Der Nachrichtensender al-Dschasira zeigt Soldaten, die desertiert sein sollen.

Damaskus. In Syrien mehren sich die Hinweise auf eine Meuterei in der Armee. Die Regierung hatte am Montagabend erklärt, bewaffnete Extremisten hätten in der Provinz Idlib im Nordwesten des Landes 120 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet. Mehrere Exil-Oppositionelle, die den Transport verletzter Zivilisten aus der Provinz in die Türkei mit organisieren, sagten dagegen der Nachrichtenagentur dpa, die Soldaten seien von Angehörigen der Armee erschossen worden, weil sie sich geweigert hätten, in der Ortschaft Dschisr al-Schogur auf unbewaffnete Zivilisten zu schießen. Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira strahlte unterdessen eine Videoaufzeichnung aus, die einen jungen Mann in der Uniform der syrischen Armee zeigt. Er erklärt, er sei desertiert. Das brutale Vorgehen der Armee gegen friedliche Demonstranten sei ein Verbrechen. Zugleich ruft er die Offiziere der Städte, in denen die Armee auf Demonstranten geschossen hatte, zur Meuterei auf.

Ein Helfer vor Ort erklärte, am Montag seien 45 Schwerverletzte mit Krankenwagen von der Grenze abgeholt und in ein Krankenhaus der türkischen Stadt Antakya gebracht worden. Drei der Verletzten seien während der Fahrt gestorben. Die meisten Verletzten seien junge Männer und Jugendliche aus Dschisr al-Schogur.

Seit Beginn der Proteste in Syrien Mitte März sind schätzungsweise 1300 Menschen getötet worden. Die Regierung hat in den vergangenen Wochen mehrere Reformen in den Bereichen Wirtschaft und Soziales sowie ein neues Parteiengesetz angekündigt. Doch hat sich die Protestbewegung, die zunächst nur eine demokratische Öffnung gefordert hatte, durch die Gewalt gegen Demonstranten radikalisiert. Gefordert wird inzwischen der Sturz des Regimes von Präsident Baschar al-Assad.

Zu einer Schießerei, bei der vier Menschen starben, kam es am Montagabend auch im Palästinenserlager Jarmuk außerhalb von Damaskus. Nach Angaben von Augenzeugen griffen die Verwandten von palästinensischen Grenzstürmern, die am vergangenen Sonntag von israelischen Soldaten erschossen worden waren, einen Funktionär der Volksfront zur Befreiung Palästinas/Generalkommando in dem Lager an.

Die Angehörigen, die von der Beerdigung der jungen Männer kamen, warfen dem lokalen Statthalter der Gruppe, Maher al-Taher, vor, er habe ihre Söhne in den Tod geschickt. An der Grenze waren insgesamt 23 Menschen getötet worden, Syrer und Palästinenser. Einige Oppositionelle vermuten, dass die syrische Regierung den Sturm auf die Grenze orchestriert hatte, um von dem innenpolitischen Konflikt abzulenken.

Frankreich will sich laut Außenminister Alain Juppé weiterhin im Uno-Sicherheitsrat für eine Syrien-Resolution einsetzen. Der syrische Präsident Assad habe „seine Berechtigung verloren, dieses Land zu regieren“, sagte Juppé im Washingtoner Forschungsinstitut Brookings Institution. Dort unterstrich er zudem die Strategie seines Landes, um den Uno-Sicherheitsrat entgegen des russischen Widerstands zu einer Syrien-Resolution zu bewegen. (dpa/dapd)