Die reichsten Demokratien der Erde wollen die Reformen in Tunesien und Ägypten mit bis zu 28 Milliarden Euro begleiten.

Deauville. Die G8-Staaten, die sich aus den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Russland zusammensetzen, investieren in die demokratischen Reformen in Tunesien und Ägypten bis zu 40 Milliarden US-Dollar – umgerechnet gut 28 Milliarden Euro. Die großzügigen Kreditzusagen bis 2013 sind zugleich eine klare Botschaft an totalitäre Regime wie in Syrien und Libyen: Lasst den arabischen Frühling zu, der Wandel lohnt sich.

Die Kredite kommen von internationalen Finanzorganisationen wie der Europäischen Investitionsbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte zum Abschluss des G8-Gipfels im normannischen Seebad Deauville, die Hilfen für Tunesien und Ägypten könnten sich auf 40 Milliarden Dollar belaufen. Sarkozy sprach von jeweils zusätzlich etwa 10 Milliarden Dollar aus G8- und EU-Staaten sowie arabischen Ländern. Der britische Premier David Cameron sagte, wenn man alle Hilfszusagen zusammenzähle, könnte man an die Zahl von 40 Milliarden Dollar kommen – die „fairere Zahl“ sei aber 20 Milliarden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wertete den G8-Gipfel als Erfolg. „Es geht jetzt vor allem darum, dass das Geld schnell zu den Menschen kommt“, sagte Merkel vor der Abreise. Deutschland werde zudem 300 Millionen Euro Schulden Ägyptens umwandeln, um dort mit dem Geld bis zu 5000 Ausbildungsplätze und 10 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Angesichts wachsender Risiken für die Weltwirtschaft durch übermäßige Verschuldung selbst in reichen Ländern wie den USA und Japan wollen die G8 den eingeschlagenen Sparkurs noch verstärken. Vor allem die USA verpflichteten sich erstmals im Kreis der Partner, ihre Finanzen dauerhaft zu sanieren.

US-Präsident Barack Obama räumte aber nicht nur freimütig Probleme mit der eigenen Verschuldung ein, sondern zeigte sich über die massive Schuldenkrise in Griechenland und die Gefahren für den Euro besorgt, wie europäische Diplomaten sagten. Schon bei ihrem letzten Treffen in Kanada im vergangenen Jahr hatten die G8 festgeschrieben, die Haushaltsdefizite bis 2013 zu halbieren und von 2016 an ihre Staatsschulden abzutragen.

Zudem vereinbarten die G8 erstmals eine strategische Partnerschaft mit Afrika. Hilfsorganisationen kritisierten das Treffen der Staats- und Regierungschefs als vertane Zeit und einen weiteren Beweis für den Wortbruch der G8, den Ärmsten auf dem Planeten wirklich helfen zu wollen. Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland urteilte über die Gipfelergebnisse: „Nichts als Worte.“ Nachdem am ersten Gipfeltag die Konsequenzen aus der japanischen Atomkatastrophe von Fukushima die Arbeit der Gipfelrunde bestimmt hatten, standen zum Abschluss die politischen Umwälzungen in der arabischen Welt im Mittelpunkt. Neben anderen Afrika-Vertretern nahmen die Regierungschefs von Ägypten und Tunesien am Gipfel teil.

In Ägypten, dem größten arabischen Land, und in Tunesien hatten friedliche Demonstranten ihre Herrscher binnen weniger Wochen von der Macht vertrieben. Die Europäer sind auch deshalb zu großzügiger Hilfen bereit, weil sie große Flüchtlingsströme von dort fürchten. Für die meisten Tunesier und Ägypter ist die wirtschaftliche Lage schlecht. Eindeutig war die Botschaft der G8 an den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi: „Er muss gehen.“ Vor zwei Jahren war Gaddafi noch Gast der G8 bei ihrem Gipfel im italienischen L'Aquila. Zwei Monate nach Beginn der Militäraktion hält sich Gaddafi noch immer an der Macht. Obama und Sarkozy stellten klar, dass die Nato-Luftangriffe deshalb weitergehen müssten. „Wir sind entschlossen, die Arbeit zu Ende zu bringen“, sagte Obama. Ähnlich äußerte sich Sarkozy: „Die Libyer haben ein Recht auf Demokratie.“

Dennoch gab es in Deauville auch den Ansatz, den Konflikt in Libyen durch Vermittlung beizulegen. Russland sei dazu aufgefordert worden, sagte eine Sprecherin des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew. Vermutlich auf Druck Russlands schwächte die Gipfelrunde die Erklärung zum gewaltsamen Kurs des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gegen sein Volk ab. War im Entwurf noch von Maßnahmen der Vereinten Nationen (UN) die Rede, so beschränkte sich die G8 in der endgültigen Fassung schlicht auf „weitere Maßnahmen“. Die Staats- und Regierungschefs forderten Assad eindringlich auf, endlich Reformen zuzulassen.

Merkel lobte die erste gemeinsame Erklärung der G8-Staaten mit mehreren afrikanischen Staaten. „Das zeigt, dass wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe miteinander haben.“ Am Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschefs vor allem über die Themen Nuklearsicherheit und Internet gesprochen. Die Gruppe der Acht setzt sich schärfere Sicherheitsstandards für die Kernenergie zum Ziel.