Der US-Präsident steckt in der Zwickmühle. Die Amerikaner maulen über den Kriegseinsatz. Die Luftangriffe in Libyen gehen weiter.

Washington/Tripolis. Der amerikanische Präsident Barack Obama sieht den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi „stark geschwächt“. Der internationale Militäreinsatz unter Uno-Mandat habe „Gaddafis tödlichen Vormarsch gestoppt“, sagte Obama in einer Rede in Washington. Darin verteidigte er sich gegen anhaltende Kritik, dass seine Libyen-Strategie schwammig sei. Auf der Suche nach einer Lösung des Libyen-Konflikts kommen Vertreter aus mehr als 40 Ländern an diesem Dienstag in London zu einer Konferenz zusammen. Obama sagte, dass die USA nach der Übertragung der Führung der Militärmission an die Nato weiterhin Druck auf Gaddafi ausüben würden, nach 42 Jahren an der Macht zurückzutreten. Er machte aber zugleich erneut klar, dass die USA keine Militärgewalt einsetzen würden, um dieses Ziel zu erreichen. Obama sagte, es wäre ein Fehler, den Militäreinsatz der Alliierten auszuweiten. Der gewaltsame Sturz des Machthabers sei nicht das Ziel. „Diesen Weg sind wir im Irak gegangen“, sagte Obama in Anspielung auf den unter der Führung seines Vorgängers George W. Bush begonnenen umstrittenen Krieg.

Eine Antwort auf die Frage, wie lange sich der Einsatz in Nordafrika ziehen könnte, gab Obama nicht. Viele Amerikaner fürchten, die USA könnten nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan auf unabsehbare Zeit in einen dritten Konflikt in einem muslimischen Land hineingeraten.

Der Präsident wies darauf hin, dass es eine Zeit lang dauern werde, um Gaddafi politisch zu isolieren und sein Regime schließlich von zur Seite zu drängen. Der Gastgeber der Konferenz in London, Großbritanniens Außenminister William Hague, hat US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundesaußenminister Guido Westerwelle, Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sowie Vertreter von Arabischer Liga und Afrikanischer Union eingeladen. Zum Abschluss des Treffens soll es ein gemeinsames Kommuniqué geben. Unklar war bis zuletzt, ob auch Vertreter der libyschen Opposition an dem Treffen teilnehmen werden. Das Außenministerium in London hatte die Opposition bereits als legitimierten politischen Partner bezeichnet.

Kurz vor dem Treffen legten Großbritanniens Premierminister David Cameron und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ein gemeinsames Papier vor. Darin wird ein „Neuanfang“ in Libyen propagiert. Die Anhänger Gaddafis werden darin aufgefordert, sich von dem Machthaber zu lösen.

Der Vormarsch der libyschen Rebellen ist trotz militärischer Hilfe aus der Luft ins Stocken geraten. Nach Einnahme aller strategisch wichtigen Öl-Häfen im Osten stießen die Aufständischen vor der Stadt Sirte auf Widerstand der Regierungstruppen. Sirte ist die Heimatstadt von Gaddafi und liegt auf halbem Weg zwischen der Rebellenhochburg Bengasi und der Hauptstadt Tripolis. Ohne Luftangriffe der internationalen Allianz dürfte die Stadt nur schwer zu erobern sein.

Viele Abgeordnete im US-Kongress moserten, weil sie sich in der Libyen-Politik übergangen fühlen. Die US-Verfassung räumt allein dem Parlament das Recht ein, Krieg zu erklären. In der Realität schickten US-Präsidenten die Truppen zwar meist ohne diese Formalität in den Einsatz, die Abgeordneten wollen aber zumindest eingebunden werden. Konservative zürnten gar, dass sich Obama lieber mit internationalen Partnern abstimme.

Zum Eindruck, Obama sei nicht auf der Höhe des Geschehens, trug auch seine mehrtägige Lateinamerika-Reise zu Beginn des Militäreinsatzes bei. Während US-Jets Angriffe in Libyen fliegen, so stellten seine Kritiker es dar, spielt der Präsident mit Kindern in Rio de Janeiro Fußball. Das Gezerre in der Nato um die Kommandostruktur beim Einsatz „Odyssey Dawn“ verwirrte die US-Öffentlichkeit zusätzlich. Einer Gallup-Umfrage aus der vergangenen Woche zufolge unterstützen 47 Prozent der US-Bürger das Vorgehen gegen Gaddafi – ein geringerer Wert als bei den meisten Militäreinsätzen der vergangenen vier Jahrzehnte.

Der für tot gehaltene Sohn Gaddafi hat sich unterdessen dem Staatsfernsehen zufolge in der Öffentlichkeit gezeigt. Das staatliche Fernsehen zeigte nach eigenen Angaben „Live-Bilder“, auf denen zu sehen war, wie Chamis Gaddafi an der Residenz der Familie in Bab al-Asisija in Tripolis von Anhängern seines Vaters umjubelt wurde. Dort hatten sich zahlreiche Gaddafi-Treue versammelt, um „ihren Anführer“ zu beschützen, wie das Fernsehen berichtete.

In den vergangenen Tagen hatte es Gerüchte gegeben, Chamis Gaddafi sei bei einem Luftangriff getötet worden. Die Berichte wurden jedoch nicht von offizieller Seite bestätigt. Chamis Gaddafi ist Kommandant einer gefürchteten Eliteeinheit. Der Uno-Sicherheitsrat wirft ihm vor, in die Repression der regierungskritischen Demonstrationen verwickelt zu sein. Das Gremium fror deshalb seine Guthaben ein und erließ ein Reiseverbot.

Die Gegend um Tripolis ist nach Angaben von Augenzeugen am Montagabend erneut von mehreren Explosionen erschüttert worden. Insgesamt neun Detonationen hätten sich in Tadschura unweit der libyschen Hauptstadt ereignet, sagten Bewohner der Nachrichtenagentur AFP. Sie machten Angriffe der internationalen Koalition gegen Machthaber Gaddafi für die Explosionen verantwortlich. Die amtliche Nachrichtenagentur Jana berichtete von internationalen Luftangriffen auf Stellungen von Gaddafi-Truppen in den Regionen Mesda, Sorman und Gharjan im Zentrum und im Westen des Landes. Der „westliche Aggressor“ habe dort „militärische und zivile Gelände“ attackiert. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder von zerbrochenen Fensterscheiben und mit Blut überströmten Betten in einem angeblich angegriffenen Krankenhaus in Mesda.

Mit Material von dpa, AFP und Reuters