Die Verhandlungen über eine neue Regierung haben begonnen. Rund 2000 deutsche Urlauber seien bereits wieder zu Hause eingetroffen.

Tunis. In Tunis herrschte angesichts der nächtlichen Ausgangssperre gespannte Ruhe in den vergangenen Stunden, vereizelt waren jedoch Schüsse zu hören. Die Straßen waren menschenleer, Cafés und Geschäfte geschlossen. Allein die Sicherheitskräfte patrouillierten durch das Zentrum. Die größte Gewerkschaft des Landes, UGTT, rief im Fernsehen zur Gründung von Bürgerwehren gegen Plünderer und Gewalttäter auf.

Nach dem Sturz von Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali bleibt die Lage in dem Land weiter angespannt. Während der neue Übergangspräsident Foued Mebazaa einen demokratischen Machtwechsel versprach, waren in der menschenleeren Hauptstadt Tunis weiterhin Schüsse zu hören. Deutsche Urlauber wurden aus Tunesien ausgeflogen.

"Alle Tunesier müssen ausnahmslos in den politischen Prozess eingebunden werden“, sagte Mebazaa am Sonnabend nach seiner Vereidigung. Er versprach, für Pluralismus und Demokratie einzutreten und die Verfassung anzuerkennen. Der Verfassungsrat hatte Parlamentspräsident Mebazaa zuvor zum Übergangspräsidenten ernannt, nachdem Ben Ali am Freitag infolge wochenlanger Unruhen nach Saudi-Arabien geflohen war. Mebazaa muss nun binnen 60 Tagen Wahlen ansetzen.

Zunächst hatte der bisherige Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi das Amt übernommen. Mebazaa erklärte, Ghannouchi sei noch mit der Regierungsbildung beauftragt. Im Tagesverlauf habe er bereits Vertreter zahlreicher politischer Gruppierungen empfangen, um über eine „Regierung der nationalen Einheit“ zu verhandeln, sagte Mustapha Ben Jaffar von der Organisation Demokratisches Forum für Arbeit und Freiheit. Am Sonntag sollten die Gespräche fortgesetzt werden.

Der Chef der größten islamistischen Partei Tunesiens kündigte seine Rückkehr aus dem Londoner Exil an. Die politischen Parteien müssten nun die Diktatur durch eine Demokratie ersetzen, sagte Rached Ghannouchi von der verbotenen Partei Ennahdha in einem Telefonat mit der Nachrichtenagentur AFP. Er sei bereit, sich an einer Regierung zu beteiligen.

Libyens Staatschef Muammar Gaddafi bedauerte den Sturz Ben Alis. Dieser sei „nach wie vor rechtmäßiger Präsident“ Tunesiens, es gebe keinen besseren als ihn, sagte Gaddafi in einer von den Medien übertragenen Rede. Gleichzeitig schlug er dem Nachbarland vor, sein Modell einer „direkten Demokratie“ zu übernehmen.

In Tunis herrschte angesichts der nächtlichen Ausgangssperre gespannte Ruhe. Die Straßen waren menschenleer, Cafés und Geschäfte geschlossen. Allein die Sicherheitskräfte patrouillierten durch das Zentrum. Die größte Gewerkschaft des Landes, UGTT, rief im Fernsehen zur Gründung von Bürgerwehren gegen Plünderer und Gewalttäter auf.

In einem Krankenhaus der Hauptstadt starb ein Neffe von Ben Alis Ehefrau. Imed Trabelsi sei bereits am Freitag einer Schussverletzung erlegen, sagte ein Klinikmitarbeiter gegenüber AFP. Bei dem Mann handelte es sich um das erste Todesopfer aus Ben Alis Familie.

Die französische Regierung gab zu verstehen, dass sie Angehörigen Ben Alis keine Zuflucht gewähren werde. Zuvor war bekannt geworden, dass sich Familienmitglieder, darunter seine 24-jährige Tochter Nesrinen und mindestens ein Enkel, seit Donnerstag im Hotel des Vergnügungsparks Disneyland bei Paris aufhielten. Diese hätten keinen Grund zu bleiben, sagte ein Regierungssprecher.

Der Reiseveranstalter Thomas Cook flog nach eigenen Angaben alle seine deutschen Kunden aus Tunesien aus. Rund 2000 Urlauber, die sich im Rahmen einer von dem Unternehmen organisierten Reise in dem Land aufgehalten hätten, seien „auf dem Heimweg oder bereits wieder zu Hause eingetroffen“, teilte Thomas Cook mit. Der Reiseveranstalter habe im Tagesverlauf insgesamt neun Sonderflüge angeboten. Auch andereTouristikunternehmen hatten Kunden ausgeflogen. (AFP/abendblatt.de)