Kanzlerin Angela Merkel gerät unter Beschuss aus den eigenen Reihen. Darf man sich über Osama bin Ladens Tod freuen? Merkels O-Töne bei abendblatt.de

Hamburg. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht sich heftiger Kritik und einer neuen Debatte ausgesetzt – auch in den eigenen Reihen. Wegen ihres Kommentars zur Tötung des Terroristenchefs Osama bin Laden ist sie bereits zurückgerudert und hat eingeräumt, dass man ihre Wort falsch verstehen könnte. Der CDU-Rechtsexperte Siegfried Kauder, der Bruder des Fraktionschefs und Merkel-Vertrauten Volker Kauder, übte scharfe Kritik an den Äußerungen Merkels. „Ich hätte es so nicht formuliert. Das sind Rachegedanken, die man nicht hegen sollte. Das ist Mittelalter.“ Auch Unions-Fraktionsvize Ingrid Fischbach, ging auf Distanz. „Aus christlicher Sicht ist es sicher nicht angemessen, Freude über die gezielte Tötung eines Menschen und dessen Tod zu äußern“, sagte die CDU-Politikerin, die auch dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken angehört.

Der FDP-Innen- und Rechtspolitiker Hartfrid Wolff sagte dem „Tagesspiegel“, aus seiner Sicht wäre es „richtig gewesen, alles zu tun, bin Laden dingfest zu machen und vor den internationalen Gerichtshof zu stellen“. „Ich kann mich über den Tod eines Menschen nicht freuen“, sagte Wolff mit Blick auf Merkels Äußerung. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, hat die Äußerungen der Bundeskanzlerin verteidigt. Es sei Angela Merkel nicht um „die Freude über den Tod eines einzelnen Menschen“ gegangen, sagte Graumann der Nachrichtenagentur dapd. Vielmehr habe sich ihre Freude darauf bezogen, dass ein Schlag gegen den internationalen Terrorismus gelungen sei. Die Kritik, die nun auf Merkel einprassele, sei „sehr ungerecht“, sagte Graumann.

Was Merkel in welche Kontext wirklich sagte, hat die Nachrichtenagentur dpa dokumentiert. Eine Frage an sie lautete am Montag: „Frau Bundeskanzlerin, dieser Erfolg, den Sie da beschreiben, (...) war offenkundig auch eine gezielte Tötung. (...) Vieles spricht dafür. Sollten auch deutsche Sicherheitskräfte in der Lage sein, auf diese Weise gegen Terrorhäupter vorzugehen?“

Merkel antwortete: „Ich bin heute erst einmal hier, um zu sagen: Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten. Und ich glaube, dass es vor allen Dingen auch für die Menschen in Amerika, aber auch für uns in Deutschland doch eine Nachricht ist, dass einer der Köpfe des internationalen Terrorismus, der so viele Menschen auch schon das Leben gekostet hat, gefasst, also getötet wurde. Und damit auch nicht mehr weiter tätig sein kann. Und das ist das, was jetzt für mich zählt. Und deshalb habe ich auch meinen Respekt für dieses Gelingen dem amerikanischen Präsidenten mitgeteilt. Und das war mir auch ein Bedürfnis.“

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Unterdessen wurde bekannt, dass „entscheidende Teile“ des pakistanischen Geheimdienstes ISI schon lange die Hand über den Terroranführer Osama bin Laden gehalten haben. Das sagte ein hochrangiger Angehöriger des amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes CIA der Nachrichtenagentur dapd in Washington. In Kreisen des afghanischen Geheimdienstes NDS wird diese Einschätzung geteilt. Der CIA-Mann sagte sogar, dass Osama bin Laden seit dem Krieg gegen die sowjetischen Besatzer Afghanistans in den 1980er-Jahren ein „Kind des ISI gewesen ist“. Da könne sich die pakistanische Regierung gegen die Vorwürfe, dass ihr Geheimdienst bin Laden gedeckt habe, noch so wehren. „Unsere Erkenntnisse sprechen eine andere Sprache“, sagte der CIA-Angehörige.

Die US-Regierung habe hier aus „übergeordneten Gründen immer über die Vermutungen und Hinweise hinweggesehen“, meinte der CIA-Mann weiter. Schließlich handle es sich bei Pakistan um den wichtigsten Verbündeten der USA im Mittleren Osten. Washington habe daher stets „ein Auge zugedrückt“. Hinzu komme, dass Pakistan eine Atommacht sei, also ein Staat mit Schwergewicht.

Der pakistanische Botschafter in Washington, Husain Haqqani, sicherte der US-Regierung eine „vollständige Untersuchung“ über die Frage zu, warum dem ISI der Aufenthalt von bin Laden in seinem Land entgangen sei. „Offensichtlich hatte bin Laden ein Unterstützungssystem“, hatte Haqqani dem Sender CNN erklärt. Die Frage sei, „war es Unterstützung innerhalb der Regierung und dem Staat Pakistan, oder innerhalb der pakistanischen Gesellschaft“. Es sei wohl eine Tatsache, „dass es Menschen gibt, die bin Laden wahrscheinlich geschützt haben“. (abendblatt.de)